Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Verkehrssicherheit eines Multifunktionsplatzes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verkehrssicherungspflicht einer Gemeinde für ihre Sport- und Spielplätze bestimmt sich allein nach Privatrecht, also § 823 BGB. Die Gemeinde hat dabei grundsätzlich für den gefahrlosen Zustand solcher Anlagen einzustehen. Bei lediglich erwachsenen Nutzern gilt dabei - anders als bei reinen Kinderspielplätzen - nur der normale Sorgfaltsmaßstab.

2. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist dann genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Es reichen die Sicherheitsvorkehrungen aus, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend hält, um andere Personen vor Schäden zu bewahren.

 

Normenkette

BGB § 823

 

Verfahrensgang

LG Mühlhausen (Urteil vom 28.04.2010; Aktenzeichen 3 O 667/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Mühlhausen vom 28.4.2010 - Az.: 3 O 667/07 - wie folgt abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits (erster und zweiter Instanz) trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen (streitiger) Verkehrssicherungspflichtverletzung auf Schadensersatz (Verdienstausfall, Schmerzensgeld etc.) in Anspruch.

Am 1.5.2007 erlitt der damals fast neunzehnjährige - am 17.5.1988 geborene - Kläger auf dem Multifunktionssportplatz der Beklagten einen Unfall.

Der mit einem Tartanboden belegte Sportplatz war seit Längerem in einem augenscheinlich schlechten Zustand. Es gab mehrere Schadstellen, an denen sich der Belag gelöst oder auch verworfen, d.h. unter Kantenbildungen hochgestülpt hatte. Dieser Zustand war der Beklagten bekannt. Sie hatte bereits Ende März 2007 einen Reparaturauftrag ausgelöst. Der Ausführungstermin war aber erst für Juni/Juli 2007 in Aussicht gestellt.

Der Kläger behauptet, während eines Basketballspiels mit drei Freunden (den in erster Instanz vernommenen Zeugen B., K. und P.) an einer Kante des (beschädigten) Tartanbelages hängengeblieben und deshalb gestürzt zu sein. Dabei habe er sich das linke Kniegelenk verdreht und eine isolierte Ruptur des vorderen Kreuzbandes zugezogen.

Die Knieverletzung wurde am 31.5.2007 minimal-invasiv operativ versorgt (arthroskopische vordere Kreuzbandplastik mittels Semitendinosussehne). Zu den (streitigen) Einzelheiten der Verletzung und Behandlung hat das LG das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. med. habil. H. vom 28.8.2009 eingeholt und den Sachverständigen nachfolgend auch noch mündlich befragt (Verhandlungsprotokoll v. 24.3.2010, Bd. II Bl. 207 ff.)

Neben dem eingeholten medizinischen (orthopädischen) Sachverständigengutachten hat das LG Beweis über den (in erster Instanz streitigen) Unfallhergang erhoben und die drei Mitspieler als Zeugen vernommen (Verhandlungsprotokoll v. 25.3.2009, Bd. I Bl. 105 ff.).

Mit Urteil vom 28.4.2010 hat das LG der Klage teilweise stattgegeben und dem Kläger - bei Annahme einer Mitverschuldensquote von 70 % - materiellen Schadensersatz (Verdienstausfall für einen Ferienjob etc.) i.H.v. 840,90 EUR (30 % von 2.803 EUR) sowie ein Schmerzensgeld von 1.200 EUR (30 % von 4.000 EUR) zugesprochen. Daneben hat das LG festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus dem Unfallereignis zu ersetzen.

Zur Begründung hat das LG im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe mit dem schadhaften Sportplatz ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Anders als auf Gehwegen und Straßen, wo Löcher umgangen bzw. umfahren werden könnten, sei dies auf einem Sportplatz im (schnellen) Spielverlauf faktisch unmöglich. Die Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, den (noch) nicht reparierten Sportplatz zu sperren oder auf dessen Gefährlichkeit explizit hinzuweisen. Da sich im Fall des Klägers die Gefahr verwirklicht habe, hafte die Beklagte. Im Ergebnis der Beweisaufnahme stünde fest, dass der Kläger in ein (großes) Loch getreten, umgeknickt und sich dabei die Kreuzbandruptur zugezogen habe. Da dem Kläger - wie auch seinen drei Mitspielern - die von dem schadhaften Platz ausgehende Verletzungsgefahr aber bewusst gewesen sei, müsse er sich ein mit 70 % zu bewertendes Unfallmitverschulden anrechnen lassen. Ein überwiegendes, die Haftung der Beklagten zurücktreten lassendes Eigenverschulden des Klägers läge aber nicht vor.

Die Entscheidung des LG haben beide Parteien mit jeweils eigenständiger Berufung angegriffen.

Die Beklagte hat gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 3.5.2010 zugestellte Urteil am 18.5.2010 Berufung eingelegt und diese am 25.05.

2010 begründet. Den Prozessbevollmächtigten des Klägers ist das Urteil am 30.4.2010 zugestellt worden. Seine Berufung ist am 31.5.2010 - einem Montag - eingelegt und am 22.6.2010 begründet worden.

Die Beklagte rügt mit ihrer Ber...

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