Leitsatz (amtlich)

Auch ein vor dem Eintritt der Verjährung erklärter Verzicht des Hauptschuldners auf die Einrede der Verjährung ist vom Anwendungsbereich des § 768 Abs. 2 BGB umfasst und hindert den Bürgen nicht an der Érhebung der Verjährungseinrede.

 

Verfahrensgang

LG Erfurt (Urteil vom 04.10.2005; Aktenzeichen 9 O 2346/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 18.09.2007; Aktenzeichen XI ZR 447/06)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Erfurt vom 4.10.2005 - 9 O 2346/04, wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Bürgschaft in Anspruch. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte gem. § 768 Abs. 1 BGB die Einrede der Verjährung der Hauptforderung erheben könne. Diese sei zum 31.12.2004 verjährt. Hieran ändere auch nichts, wenn der Hauptschuldner - was streitig sei - am 5.11.2004 einen Verjährungseinwendungsverzicht erklärt hätte. Eine Vereinbarung über die Verlängerung der Verjährungsfrist gem. § 202 BGB n.F. hätten die Klägerin und der Hauptschuldner nach dem Klägervortrag nicht getroffen. Sie hätten nämlich nicht geregelt, wie lange die Verjährungsfrist verlängert werden solle. Stattdessen habe der Gesamtvollstreckungsverwalter auf die Erhebung dieser Einrede verzichtet. Ein solcher Verzicht wäre - abweichend vom alten Recht - nunmehr zulässig und würde nicht mehr an der früher geltenden Vorschrift des § 225 BGB a.F. scheitern. Eine solche Erklärung führe aber nicht zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist, sie begründe nur einen Vertrauensschutz. Solange der Hauptschuldner den Eindruck erwecke, er werde seine Zusage einhalten, verstoße die von ihm erhobenen Verjährungseinrede gegen § 242 BGB. Den Ablauf der Verjährung hindere eine solche Erklärung nicht, sie hindere lediglich den Hauptschuldner im Verhältnis zum Gläubiger, sich hierauf zu berufen. Gemäß § 768 Abs. 2 BGB wirke eine solche Vereinbarung nicht zu Lasten des Bürgen.

Ein Anerkenntnis mit der möglichen Folge, dass gem. § 212 BGB n.F. die Verjährungsfrist neu in Lauf gesetzt werde, enthalte der Verjährungsverzicht im vorliegenden Fall seinem Inhalt nach nicht.

Der Verjährungseinrede stehe auch nicht Treu und Glauben gem. § 242 BGB entgegen. Der Beklagte sei ebenso wenig wie der Mandatar verpflichtete gewesen, verjährungshemmende Maßnahmen einzuleiten.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt, die sie wie folgt begründet:

Der Beklagte könne sich nicht auf die Einrede der Verjährung der Hauptschuld gem. § 768 Abs. 1 BGB berufen. Diese Vorschrift sei Ausdruck der das Bürgschaftsrecht prägenden Akzessorietät der Bürgenhaftung. Entscheiden sei das Verhältnis des Bürgschaftsgläubigers zum Hauptschuldner: Wenn der Bürgschaftsgläubiger durch rechtzeitig eingeleitete geeignete Maßnahmen sichergestellt habe, dass der Hauptschuldner die Einrede der Verjährung ihm gegenüber nicht erfolgreich erheben könne, sei - erst recht - dem Bürgen diese abgeleitete Einrede verwehrt. Hier könne die Klägerin im Verhältnis zum Hauptschuldner vor dem Hintergrund des vor Verjährungseintritt erklärten Verzichts auf die Einrede der Verjährung den Einwand der Arglist entgegenhalten.

Der Anwendungsbereich des § 768 Abs. 2 BGB sei nicht eröffnet. Dieser betreffe lediglich den Verzicht auf die Einrede der bereits eingetretenen Verjährung. Hier sei der Verzicht jedoch schon vor Eintritt der Verjährung erklärt worden. Im Übrigen habe der Insolvenzverwalter sich bei Verfassung seines Schreibens vom 5.11.2004 unreflektiert an der üblichen Praxis vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes orientiert und kenntlich machen wollen, den Anspruch nur mit sachlichen und nicht nur mit formellen Argumenten zu bekämpfen.

Schließlich verstoße die Erhebung der Verjährungseinrede im Hinblick auf die Anfragen der Klägerin im Jahre 2004 gegen § 242 BGB.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung trägt die Klägerin weiter vor, dass auch die zuständige Mitarbeiterin der Klägerin das Schreiben vom 5.11.2004 im gleichen Sinne wie der Insolvenzverwalter ausgelegt habe.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des LG Erfurt vom 4.10.2005 - 9 O 2346/04, abzuändern, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.227.100,50 EUR nebst 4 % Zinsen hieraus sei dem 21.2.2004 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe der Originalbürgschaftsurkunde des Beklagten vom 29.4.1997 über 2,4 Mio. DM und festzustellen, dass sich zum vorstehenden Klageantrag der Beklagte mit der Annahme der Gegenleistung in Verzug befindet.

Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er vert...

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