Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Anfall einer Terminsgebühr im schriftlichen Vorverfahren nach § 331 Abs. 3 ZPO bei fehlender Antragstellung des Anwalts

 

Leitsatz (amtlich)

Eine 0,5-Terminsgebühr gem. Nr. 3105 S. 2 Abs. 1 Nr. 2 RVG-VV fällt auch dann an, wenn ein Versäumnisurteil - in verfahrenswidriger Weise - nach § 331 Abs. 3 ZPO gegen den Beklagten ergeht, ohne dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers einen entsprechenden Antrag gestellt hat.

 

Verfahrensgang

LG Gera (Beschluss vom 14.10.2005; Aktenzeichen 3 HKO 191/05)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Gera vom 14.10.2005 (Az. 3 HKO 191/05) abgeändert:

Die vom Beklagten auf Grund des Urteils des LG Gera vom 3.8.2005 an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden - über die vom LG festgesetzten Kosten hinaus - auf weitere 328,28 EUR (in Worten: Dreihundertachtundzwanzig 28/100 EUR) nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 9.8.2005 festgesetzt.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 328,28 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist statthaft, insb. form- und fristgerecht erhoben, und auch sonst zulässig, §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 ZPO. In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg. Die Rechtspflegerin hat zu Unrecht die von der Klägerin mit ihrem Kostenerstattungsantrag angemeldete 0,5-Terminsgebühr i.H.v. 328,28 EUR brutto abgesetzt.

1. Die Kammer des LG hat gegen den Beklagten, der auf die Zustellung der Klage nicht reagiert hatte, ohne entsprechenden Antrag der Klägerin - entgegen der Bestimmung des § 331 Abs. 3 S. 1 ZPO - Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren erlassen. Die Rechtspflegerin hat unter Hinweis auf die Kommentierung bei Gerold/Schmidt (Gerold/Schmidt/Müller/Rabe, RVG-VV, 16. Aufl., Nr. 3105 Rz. 19) die Festsetzung einer halben Terminsgebühr i.S.d. Nr. 3105 S. 2 Abs. 1 Nr. 2 RVG-VV abgelehnt, da es an der hierzu erforderlichen Antragstellung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin fehle.

2. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist begründet. Den Prozessbevollmächtigten der Klägerin steht gem. Nr. 3105 S. 2 Abs. 1 Nr. 2 RVG-VV eine halbe Terminsgebühr zu, die vom Beklagten nach § 91 S. 1 ZPO zu erstatten ist.

a) In der Rechtsprechung ist streitig, ob eine fiktive Terminsgebühr (früher: Verhandlungsgebühr gem. § 35 BRAGO) in einer Konstellation der vorliegenden Art entsteht, wenn das Gericht Versäumnisurteil erlässt, ohne dass der Rechtsanwalt der erstattungsberechtigten Partei hieran durch eine Antragstellung mitwirkt. Das OLG Düsseldorf hat die Auffassung vertreten, dass schon nach dem Gesetzeswortlaut der Gebührenanfall von einem entsprechenden Antrag des Anwalts abhänge und als Ausgleich für seine mit erhöhter Verantwortung verbundene schriftsätzliche Vorarbeit gedacht sei (OLG Düsseldorf v. 29.5.1984 - 10 W 99/84, MDR 1984, 950; so auch Gerold/Schmidt/Müller/Rabe, RVG-VV, Nr. 3105 Rz. 19).

Dem ggü. wollen das OLG Koblenz (OLG Koblenz v. 25.1.1996 - 5 U 714/95, WM 1997, 1566 [1567]) und das LG Köln (LG Köln v. 8.6.2001 - 9 T 90/01, MDR 2001, 1018) für den Fall der Säumnis des Beklagten in der Stellung des Sachantrags zugleich einen konkludenten Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils sehen, da davon auszugehen sei, dass der Kläger den Erfolg des Sachantrags auf jedem verfahrensrechtlich zulässigen Weg erstrebe. Mithin seien die formellen Voraussetzungen einer fiktiven Termins- bzw. Verhandlungsgebühr erfüllt.

b) Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung i.E., wenn er sich auch der dortigen Begründung nicht anzuschließen vermag. Die Konstruktion eines stillschweigenden Antrags auf Erlass eines Versäumnisurteils überzeugt nicht. Träfe dieser Ansatz zu, ginge die Bestimmung des § 331 Abs. 3 ZPO insofern ins Leere, als sie dem Wortlaut nach einen darauf gerichteten "Antrag" des Klägers verlangt. Dieses Erfordernis wäre überflüssig, wenn ein solches Begehren ohne weiteres schon dem in der Klageschrift enthaltenen Sachantrag zu entnehmen wäre. Gleichwohl ist die in Nr. 3105 S. 2 Abs. 1 Nr. 2 RVG-VV geregelte Terminsgebühr angefallen. Denn sie setzt dem Wortlaut nach gerade keine Antragstellung des Anwalts voraus, sondern stellt allein darauf ab, dass "eine Entscheidung gem. § 311 Abs. 3 ZPO ergeht". Um eine solche Entscheidung handelte es sich hier, wie das Rubrum des Versäumnisurteils des LG Gera vom 3.8.2005 ausdrücklich ausweist. Zwar mag der gesetzlichen Gebührenregelung die Vorstellung zugrunde liegen, dass bei Erlass des Versäumnisurteils im Regelfall die hierzu vorgeschriebenen Formalien, wie die einer entsprechenden Antragstellung, eingehalten sind. Gleichwohl gilt hier, wie auch sonst in kostenrechtlichen Tatbeständen, dass der Gebührenanfall als solcher allein an ein formales Prozessmerkmal - den Erlass der Entscheidung - anknüpft, ohne dass die dafür maßgebenden Voraussetzungen gesondert zu hinterfrage...

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