Leitsatz (amtlich)

Zur Zulässigkeit eines Antrages des Wahlverteidigers auf Feststellung einer Pauschgebühr gem. § 42 RVG nach Stellung eines Kostenfestsetzungsantrages und wirksamer Ausübung seines Bestimmungsrechts nach § 14 Abs. 1 RVG.

 

Normenkette

RVG § 14 Abs. 1, § 42

 

Verfahrensgang

LG Erfurt (Aktenzeichen 6 KLs 130 Js 36042/14 jug)

 

Tenor

Der Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Rechtsanwalt W. vertrat den Angeklagten K., der sich während des gesamten Verfahrens aufgrund der Urteils des Landgerichts Erfurt vom 17.05.2010 in Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt S. befand, seit dem 03.09.2019 als Wahlverteidiger. In dem Verfahren hatte die Staatsanwaltschaft Erfurt bereits am 20.10.2018 Anklage wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 6 Fällen sowie wegen Vergewaltigung beim Landgericht Erfurt erhoben und am 25.07.2019 hatte die 6. Strafkammer des Landgerichts Erfurt das Hauptverfahren eröffnet und mit Verfügung vom selben Tage Hauptverhandlungstermine auf den 14. bis 27.01.2020 anberaumt.

Der Antragsteller hat sich mit Schriftsatz vom 09.10.2019 umfassend zum Anklagevorwurf geäußert und stellte vor der avisierten Hauptverhandlung eine Vielzahl von Anträgen (sitzungspolizeiliche Maßnahmen, Vorführung des Angeklagten, Befangenheit).

Nachdem die Hauptverhandlungstermine wegen nicht vorhandener Transportfähigkeit des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt aufgehoben worden waren, beantragte die Staatsanwaltschaft Erfurt am 18.03.2020 das Verfahren gem. § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die rechtskräftige Verurteilung vom 18.05.2010, 130 Js 25235/09, vorläufig einzustellen, wozu sich der Antragsteller nochmals mit Schriftsätzen vom 09. und 14.04.2020 äußerte.

Mit Beschluss vom 20.04.2020 wurde sodann das Verfahren hinsichtlich der dem Angeklagten mit der Anklageschrift vom 04.08.2016 zur Last gelegten Taten vorläufig eingestellt, weil die Strafen oder Maßregeln, die im vorliegenden Verfahren zu erwarten sind, neben den Strafen und Maßregeln zu denen der Angeklagte durch Urteil vom 17.05.2010 im Strafverfahren 6 KLs 130 Js 25235/09 jug Landgericht Erfurt rechtskräftig verurteilt wurde, nicht erheblich ins Gewicht fallen. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt.

Mit Schriftsatz vom 23.04.2020 stellte Rechtsanwalt W. den Antrag, notwendige Auslagen im Umfang von 2.352,25 € zu seinen Gunsten festzusetzen. Dies lehnte die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 06.08.2020 unter Bezugnahme auf die zu Gunsten der Pflichtverteidigerin bereits erfolgte Festsetzung ab, § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO. Gegen diesen Beschluss legte der Wahlverteidiger am 12.08.2020 sofortige Beschwerde ein, die beim Senat unter dem Aktenzeichen 1 Ws 282/20 anhängig ist. Im Beschwerdeverfahren stellte er mit Schriftsatz vom 14.09.2020 auch einen Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr gem. § 42 RVG durch den Senat.

Zu diesem Antrag hat sich die Bezirksrevisorin bei dem Thüringer Oberlandesgericht mit Stellungnahme vom 03.02.2021 ablehnend geäußert. Hierzu wurde dem Antragsteller nochmals rechtliches Gehör gewährt, worauf dieser mit Schriftsatz vom 12.02.2021 ergänzend Stellung genommen hat.

II.

1. Der Einzelrichter hat die Sache gem. § 42 Abs. 2 RVG auf den Senat übertragen, weil dies zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.

Der Senat hat sich in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden noch nicht zur Zulässigkeit eines Antrages nach § 42 RVG geäußert.

Der mit Schriftsatz vom 14.09.2020 im Beschwerdeverfahren 1 Ws 282/20 gestellte Antrag des Wahlverteidigers auf Feststellung einer Pauschgebühr gem. § 42 RVG ist als solcher unzulässig.

Der Senat hat zur Zulässigkeit eines Antrages nach § 42 RVG in zwei Verfahren Stellung genommen.

Im - auch vom Antragsteller in Bezug genommenen - Verfahren 1 AR S 72/07 (Beschluss vom 30.10.2007, bei juris) wurde über eine Fallgestaltung entschieden, in welcher der Verteidiger erst nach rechtskräftiger Festsetzung der gesetzlichen Gebühren einen Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG gestellt hatte.

Dieser Umstand war für die Unzulässigkeit des Antrages maßgebend (vgl. Rdnr. 9 der bei juris veröffentlichten Entscheidung sowie den dortigen Leitsatz). Die Formulierung unter Rdnr. 12 dieses Beschlusses - "die Folge dieser in § 42 Abs. 4 RVG statuierten Bindungswirkung ist, dass der Wahlverteidiger die Pauschgebühr zu einem Zeitpunkt beantragen muss, in dem die durch das Oberlandesgericht getroffene Feststellung im Kostenfestsetzungsverfahren noch Berücksichtigung finden kann" - kann insoweit aber nur als obiter dictum verstanden werden.

Dem weiteren Beschluss des Senats im Verfahren vom AR (S) 25/10 (Beschluss vom 09.08.2010, ebenfalls bei juris veröffentlicht), lag eine andere Fallgestaltung zugrunde.

In diesem Verfahren war der Kostenfestsetzungsantrag des Verteidigers vom 23.10.2008 abgelehnt worden und im folgenden Abhilfeverfahren war vom Landgericht mit Beschluss vom 02.12.20...

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