Leitsatz (amtlich)

1. Die Aufgabe des Eigentums an einem Grundstück (§ 928 Abs. 1 BGB) in einem förmlich ausgewiesenen Sanierungsgebiet (§ 142 Abs. 1 S. 1 BauGB) unterliegt der Grundbuchsperre der §§ 144 Abs. 2 Nr. 1, 145 Abs. 1 S. 1, Abs. 6 S. 1 i.V.m. § 22 Abs. 6 S. 1 BauGB und bedarf damit der sanierungsrechtlichen Genehmigung der zuständigen Gemeinde.

2. Lehnt die Gemeinde die Erteilung der Genehmigung oder eines Negativzeugnisses - die Bescheinigung, dass sie nicht innerhalb einer vorgegebenen Frist über den Antrag entschieden hat (§ 22 Abs. 5 S. 5 BauGB) - schriftlich mit der Begründung ab, es handele sich insgesamt um keinen genehmigungsbedürftigen Vorgang, so kann dieses Schreiben unter Beachtung des Formgebots des § 29 Abs. 3 GBO selbst als Negativzeugnis gewertet werden.

 

Verfahrensgang

LG Erfurt (Beschluss vom 10.07.2006; Aktenzeichen 2 T 248/06)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde wird der Beschluss des LG Erfurt vom 10.7.2006 (2 T 248/06) abgeändert:

Das Grundbuchamt W. wird angewiesen, den Antrag des Antragstellers vom 7.4.2006 nicht aus den Gründen der Zwischenverfügung vom 22.5.2006 (Geschäftsnummer TR 1292-1) zurückzuweisen.

 

Gründe

Hinsichtlich des Sachverhalts und der für die angefochtene Entscheidung maßgebenden Gründe nimmt der Senat auf den Beschluss des LG vom 10.7.2006 Bezug.

Die nach den §§ 78, 79, 80 GBO statthafte und auch sonst zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des LG ist nicht frei von Rechtsfehlern, §§ 78 S. 2 GBO, 546, 561 ZPO. Die Voraussetzungen der vom Grundbuchamt am 22.5.2006 erlassenen und mit der Erstbeschwerde angegriffenen Zwischenverfügung lagen jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des LG nicht (mehr) vor, weil das von ihm angenommene Eintragungshindernis behoben war.

1. Der Eintragungsantrag vom 7.4.2006 unterlag - entgegen der in der weiteren Beschwerde und seitens der Stadt B.B. vertretenen Rechtsauffassung - im Zeitpunkt der Antragstellung der Grundbuchsperre der §§ 144 Abs. 2 Nr. 1, 145 Abs. 1 S. 1, Abs. 6 S. 1 i.V.m. § 22 Abs. 6 S. 1 BauGB.

a) Wird ein in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet (§ 142 Abs. 1 S. 1 BauGB) gelegenes Grundstück "veräußert", darf nach den vorgenannten Bestimmungen das Grundbuchamt eine Eintragung in das Grundbuch nur vornehmen, wenn entweder ein Genehmigungsbescheid der zuständigen Gemeinde oder ein sog. Negativzeugnis- die Bescheinigung, dass die Gemeinde nicht innerhalb einer bestimmten Frist über einen Genehmigungsantrag entschieden hat (§ 22 Abs. 5 S. 5 BauGB) - vorgelegt wird. Auch ohne die in § 143 Abs. 2 S. 2 BauGB vorgeschriebene - im vorliegenden Fall ordnungsgemäß erfolgte -Eintragung eines Sanierungsvermerks im Grundbuch bewirkt bereits das Inkrafttreten der kommunalen Sanierungssatzung für das betreffende Gebiet eine Grundbuchsperre, die vom Grundbuchbeamten im Rahmen der Prüfung eines Eintragungsantrags von Amts wegen zu beachten ist (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Aufl., § 143 Rz. 5, § 22 Rz. 18). Dies war hier im Zeitpunkt der Antragstellung der Fall. Die notariell beglaubigte "Aufgabeerklärung" des Antragstellers vom 6.4.2006, mit der er das Eigentum am streitgegenständlichen Grundstück aufgegeben hat, bedurfte einer solchen Genehmigung i.S.d. § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB. Zurecht hat daher der Grundbuchbeamte zunächst telefonisch (vgl. handschriftlichen Vermerk vom 18.4.2006) den Antragsteller auf das Erfordernis einer sanierungsrechtlichen Genehmigung hingewiesen.

aa) Obwohl das LG im Ergebnis zutreffend die Grundbucheintragung von der Vorlage eines Genehmigungsbescheids oder Negativattestes abhängig gemacht hat, ist sein Begründungsansatz verfehlt, wenn es dieses Erfordernis darauf gestützt hat, dass "nach teleologischer Auslegung des § 144 BauGB zumindest erhebliche Zweifel an der Genehmigungsfreiheit der Eigentumsaufgabe eines in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet befindlichen Grundstücks" bestünden. Statt eine eindeutige Aussage hierzu zu treffen, hat das LG die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit gewissermaßen in der Schwebe gelassen und der Beurteilung der Genehmigungsbehörde anheim gestellt. Das ist schon deshalb unzutreffend, weil die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit hier allein von der Auslegung der maßgebenden gesetzlichen Vorschriften abhängt, die von den Instanzen des Grundbuchverfahrens ohne Bindung an die Rechtsauffassung der Genehmigungsbehörde vorzunehmen ist (vgl. KG FGPrax 1996, 213; BayObLG Rpfleger 1972, 408).

bb) Auf die ggü. dem Grundbuchamt abzugebende Verzichtserklärung der Eigentumsaufgabe am Grundstück (§ 928 Abs. 1 BGB) ist die Bestimmung des § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB zumindest analog anwendbar. Es handelt sich mithin um einen aus Sicht des Sanierungsrechts genehmigungsbedürftigen Vorgang.

Zwar stimmt der Senat der Beschwerdebegründung darin zu, dass das im Gesetz genannte Merkmal einer rechtsgeschäftlichen "Veräußerung" im strengen rechtstechnischen Sinne nicht einschlägig ist, weil damit grundsätzlich nur die Übertragung ein...

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