Verfahrensgang

AG Suhl (Entscheidung vom 28.01.2005; Aktenzeichen 550 Js 11996/04 - 2 OWi)

 

Tenor

  • 1.

    Der Beschluss des Amtsgerichts Suhl vom 28.01.2005 wird aufgehoben.

  • 2.

    Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Suhl zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Durch Bußgeldbescheid vom 15.09.2004 wurde gegen den Betroffenen wegen Schädigung eines Anderen durch außer Acht lassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ein Bußgeld in Höhe von 35,00 EUR verhängt. Gegen den Bußgeldbescheid legte der Betroffene durch seinen Verteidiger unter dem 30.09.2004 Einspruch ein und nahm zur Begründung auf das Verteidigungsvorbringen im Schriftsatz an die Verwaltungsbehörde vom 23.07.2004 Bezug. Im Schriftsatz an die Verwaltungsbehörde vom 23.07.2004 hatte der Betroffene einen Verkehrsverstoß mit ausführlicher Begründung bestritten und einen weiteren Schriftsatz an die Polizeiinspektion Suhl vom 15.07.2004 sowie eine Bildanlage, auf die verwiesen wurde, beigefügt.

Nach Vorlage der Akten an das Amtsgericht fragte dieses beim Betroffenen an, ob einer Entscheidung im Beschlussverfahren nach § 72 OWiG widersprochen werde. Da weder der Betroffene noch sein Verteidiger einer Entscheidung im Beschlussverfahren widersprachen, setzte das Amtsgericht Suhl mit dem angefochtenen Beschluss vom 28.01.2005 gegen den Betroffenen wegen "Außerachtlassen der erforderlichen Sorgfalt im Straßenverkehr und der fahrlässigen Schädigung eines anderen hierbei" eine Geldbuße in Höhe von 35,- EUR fest.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde, mit der geltend gemacht wird, das Gericht sei von einem unzutreffenden Sachstand und vor allem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Es habe nicht berücksichtigt, dass sich der Betroffene umfangreich zum Sachverhalt eingelassen habe. Auf Grund des Verteidigungsvorbringens des Betroffenen sei für eine verurteilende Entscheidung des Gerichts im Beschlussverfahren ohne nochmalige Anhörung des Betroffenen kein Raum gewesen. Auch sei das rechtliche Gehör dadurch verletzt worden, dass dem Gericht ein unvollständiger Sachverhalt vorgelegt worden sei.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft, die die Sache dem Senat vorgelegt hat, beantragt, die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

II.

Die erhobene Rechtsbeschwerde ist gem. § 79 Abs. 1 Nr. 5 OWiG statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt. Die erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist als noch ausreichend ausgeführte Verfahrensrüge der Verletzung des § 72 OWiG auszulegen.

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Das Amtsgericht hat nämlich durch Beschluss nach § 72 OWiG entschieden, obwohl die Voraussetzungen für das Beschlussverfahren nicht vorgelegen haben.

Nach § 72 Abs. 1 OWiG kann das Gericht, wenn es eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluss entscheiden, wenn der Betroffene und die Staatsanwaltschaft diesem Verfahren nicht widersprechen. Hier hat der Betroffene schon im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde zum Ausdruck gebracht, dass er mit einer Entscheidung im Beschlussverfahren nicht einverstanden ist. Er hat bereits mit seinem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 30.09.2004 in Verbindung mit dem im Einspruchsschreiben in Bezug genommenen Schriftsatz vom 23.07.2004, das seinerseits auf einen weiteren Schriftsatz mit sachlichem Vorbringen vom 15.07.2004 und eine eingereichte Bildvorlage verweist, dem später durchgeführten Beschlussverfahren widersprochen. Dies geschah zwar nicht ausdrücklich, jedoch durch schlüssiges Verhalten. Ein Widerspruch gegen das Beschlussverfahren ist nämlich in jeder Äußerung des Betroffenen zu erblicken, aus der hervorgeht, dass er mit einer richterlichen Entscheidung allein auf Grund des bis dahin aktenkundigen Sachverhalts nicht einverstanden ist, sondern eine weitere Klärung des Tatherganges wünscht (vgl. OLG Koblenz NStZ 1991, 191 m.w.N.; OLG Hamm Urteil vom 27.11.2003, 1 Ss Owi 740/03 bei Juris; Beschluss des Senats vom 16.10.1997, 1 Ss 98/97). Damit wird indes nicht jedes Leugnen des Schuldvorwurfes erfasst, etwa wenn nur die dem Bußgeldbescheid zu Grunde liegende Rechtsauffassung bestritten wird (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 72 Rn. 17 m.w.N.). Vorliegend ergibt die Prüfung des Vorbringens im Einspruchsschreiben in Verbindung mit den in Bezug genommenem weiteren Vorbringen an Polizei und Verwaltungsbehörde, dass der Betroffene den Sachverhalt unter Angabe von Beweismitteln substantiiert bestritten und dass er zweifelsfrei eine weitere Sachverhaltsaufklärung zur Feststellung seiner Schuld für notwendig erachtet hat und mit einer Entscheidung nach Aktenlage nicht einverstanden war. Eine Klärung des Sachverhaltes konnte damit nicht ohne Hauptverhandlung erfolgen.

Ein bereits vor dem Hinweis nach § 72 Abs. 1 OWiG ausdrücklich oder schlüssig erklärter Widerspruch gegen eine Entscheidung ohne Hauptverhandlung wird nicht dadurch gegenstandslos, dass der Betroffene a...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge