Leitsatz (amtlich)

Für den nachträglichen Entzug bewilligter Prozesskostenhilfe reicht es nicht aus, dass eine durchgeführte Beweisaufnahme für die Partei ungünstig verlaufen ist.

 

Verfahrensgang

LG Erfurt (Beschluss vom 31.03.2006; Aktenzeichen 9 O 2197/05)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten hin wird der Beschluss des LG Erfurt vom 31.3.2006 und der weitere Beschluss des LG Erfurt vom 27.4.2006 aufgehoben.

 

Gründe

I. Im vorliegenden Rechtsstreit wurde der Beklagte auf Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 5.000 EUR sowie auf Zahlung materieller Schäden i.H.v. 102,53 EUR in Anspruch genommen.

Hintergrund war, dass der Kläger im Rahmen seiner Klage behauptete, dass der Beklagte ihn, als er sich auf einer Leiter befand, um ein Wahlplakat in der Straße des Beklagten aufzuhängen, von der Leiter gestoßen habe. Der Kläger hatte für diesen Sachvortrag zwei Zeugen benannt.

Der Beklagte verteidigte sich gegen dieses Vorbringen des Klägers mit der Behauptung, dass er zwar zum streitgegenständlichen Zeitpunkt vor Ort gewesen sei und es auch eine verbale Auseinandersetzung zwischen den Parteien gegeben habe, dass er aber den Kläger nicht mitsamt der Leiter umgestoßen habe. Der Beklagte benannte für seinen Sachvortrag bzw. gegenbeweislich zum Sachvortrag des Klägers ebenfalls zwei Zeugen.

Das Erstgericht hat alle von den Parteien benannten Zeugen vernommen. Die vom Kläger benannten Zeugen bestätigten dessen Sachvortrag. Bezüglich der vom Beklagten benannten Zeugen, bestätigte die Zeugin S. dessen Sachvortrag. Der weiter von ihm benannte Zeuge sagte aus, dass er weder bestätigen noch ausschließen könne, dass der Beklagte die Leiter umgestoßen habe.

Letztendlich verurteilte das Erstgericht den Beklagten zur einer Zahlung von 3.000 EUR Schmerzensgeld sowie zur Zahlung des eingeklagten materiellen Schadens. Zur Begründung führte das Erstgericht aus, dass nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur seiner Überzeugung feststehe, dass der Beklagte die Leiter umgestoßen habe.

Des Weiteren widerrief das Erstgericht mit Beschluss vom 31.3.2006 die dem Beklagten im Termin vom 3.2.2006 bewilligte Prozesskostenhilfe. Zur Begründung führte das Erstgericht an, dass die bewilligte Prozesskostenhilfe gem. § 124 Ziff. 1 ZPO aufzuheben gewesen wäre, da der Beklagte die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgeblichen Voraussetzungen durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses vorgetäuscht habe.

Der hiergegen gerichtete sofortigen Beschwerde half das Erstgericht inso- weit ab, als sie die ehemals bewilligte Prozesskostenhilfe nur insoweit aufhob, als der Beklagte sich gegen die Verurteilung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 3.000 EUR sowie Schadenersatz i.H.v. 102,53 EUR verteidigt habe. Zur Begründung führte das Erstgericht aus, dass die erlittenen Verletzungen kein höheres Schmerzensgeld als 3.000 EUR rechtfertigen würden. Bezüglich des darüber hinausgehenden Betrages sei daher die beabsichtigte Rechtsverteidigung des Beklagten erfolgreich gewesen. Im Übrigen verblieb es bei seiner Auffassung zu § 124 Ziff. 1 ZPO.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache in vollem Umfang Erfolg. Gemäß § 114 ZPO ist eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten einer Prozessführung nicht aufbringen kann auf Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Dies war vorliegend hinsichtlich des Prozesskostenhilfegesuches des Beklagten der Fall. Nach der von ihm vorgetragenen und unter Beweis gestellten Sachverhaltsschilderung hatte seine Rechtsverteidigung hinreichend Erfolgsaussicht.

Das Erstgericht war auch nicht berechtigt, die einmal bewilligte Prozesskostenhilfe gem. § 124 Ziff. 1 ZPO wieder aufzuheben, da der Beklagte nicht im Sinne dieser Vorschrift durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat. Für die Aufhebung der Prozesskostenbewilligung reicht es nämlich nicht aus, dass die Beweisaufnahme für die Partei, die Prozesskostenhilfe beantragt hat, ungünstig verlaufen ist (vgl. MünchKomm/ZPO, § 124 Rz. 9). Dies war aber vorliegend der Fall. Letztendlich kam das Erstgericht nur im Rahmen einer für den Beklagten ungünstigen Beweiswürdigung zu dem von ihm gefundenen Ergebnis.

Eine andere Beurteilung würde sich nur rechtfertigen lassen, wenn die vom Beklagten benannten Zeugen von vornherein als untaugliche Beweismittel anzusehen gewesen wären. Dies war aber vorliegend nicht der Fall, wie sich aus den Zeugenaussagen ergibt. Die Zeugin S. bestätigte sogar die Sachverhaltsdarstellung des Beklagten.

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten waren daher die Beschlüsse des Erstgerichts vom 31.3.2006 und 27.4.2006 aufzuheben, so dass es bei der ursprünglichen Bewilligung der Prozesskostenhilfe vom 3.2.2006 verbleibt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1705342

OLG-NL 2006, 287

OLGR-Ost 2007, 472

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