Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltsvergütung: Rückwirkung und Erstreckung der Bestellung, Berechnung des Längenzuschlags bei Wartezeiten und Pausen, Pauschvergütung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Rückwirkung einer Beiordnung erstreckt sich nicht automatisch auf verbundene Verfahren, sondern setzt eine ausdrückliche gerichtliche Entscheidung (§ 48 Abs. 5 Satz 3 RVG) voraus.

2. a) Wartezeiten zwischen geplantem und tatsächlichem Beginn der Hauptverhandlung in die Dauer der Hauptverhandlung eingerechnet.

b) Bei der Berechnung der Verhandlungsdauer werden Sitzungspausen grundsätzlich mitgerechnet. Anderes kann dann gelten, wenn eine Sitzungspause mehr als eine Stunde dauert und ihre Dauer absehbar ist, bspw. bei einer Unterbrechung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt. In diesem Fall kann es angebracht sein, die gesamte Pause nicht als Verhandlungszeit anzurechnen.

c) Bei einer Berechnung der Verhandlungsdauer ist eine Mittagspause, die zwischen einer halben und einer Stunde andauert, in Abzug zu bringen, da eine solche einzulegen auch sonst üblich ist und der Anwalt die Mittagspause regelmäßig auch dann nicht für seine anwaltliche Tätigkeit nutzt, wenn er nicht Pflichtverteidiger ist. Es ist daher gerechtfertigt, die Verhandlungszeit um Mittagspausen, die länger als eine halbe Stunde dauern, zu kürzen, allerdings nur bis zu insgesamt einer ganzen Stunde. Für eine Mittagspause, die über eine Stunde hinausgeht, gilt die allgemeine Pausenregelung. Ein weiterer Abzug von der Verhandlungszeit kommt daher auch hier regelmäßig nur dann in Betracht, wenn die Mittagspause insgesamt mehr als 2 Stunden dauert. 3. a) Bei der Gewährung einer Pauschvergütung kann auch die vom Rechtsanwalt in einem vor Verfahrensverbindung erbrachte Tätigkeit berücksichtigt werden, die von der Pflichtverteidigervergütung mangels erklärter Erstreckung nicht umfasst ist.

b) Die Prüfung nach § 51 Abs. 1 RVG erstreckt sich darauf, inwieweit eine besondere Schwierigkeit und/oder ein besonderer Umfang der anwaltlichen Tätigkeit hinsichtlich einzelner Gebührenanteile gegeben und ob deshalb die Beschränkung auf die gesetzlichen Gebühren nicht mehr zumutbar ist. Bei außergewöhnlich zeitaufwändigen Verfahren, u. a. umfangreiche Wirtschaftsstrafverfahren oder Indizienprozessen, kann im Einzelfall auch eine pauschale Betrachtung angezeigt sein.

c) Der Umstand, dass zwischen der Antragstellung auf Bewilligung einer Pauschgebühr und der Entscheidung des Senats mehr als ein Jahr liegt, kann nicht zu Gunsten des Antragstellers berücksichtigt werden.

 

Gründe

I.

Rechtsanwalt R wurde dem Angeklagten mit Beschluss vom 24.09.2004 im führenden Verfahren 980 Js 31352/04 während des Ermittlungsverfahrens zum Pflichtverteidiger bestellt. Er war bereits zuvor - am 23.09.2004 - vom Angeklagten in dieser Sache sowie gleichfalls im Verfahren 980 Js 31822/04 als Wahlverteidiger bevollmächtigt worden. Im führenden Verfahren wurde dem Angeklagten gemeinschaftlich begangener Mord zur Last gelegt, während Gegenstand des am 29.09.2004 hinzuverbundenen Verfahrens 380 Js 31822/04 vier gemeinschaftlich begangene Taten des schweren, teils versuchten Raubes waren. Der Verteidiger nahm im Rahmen des Ermittlungsverfahrens an einer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung des Angeklagten teil. Im Hauptverfahren verteidigte er den Angeklagten in 13 Hauptverhandlungsterminen, die im Zeitraum vom 08.03. bis 28.06.2006 stattfanden. Der Angeklagte wurde mit Urteil vom 28.06.2006 wegen schwerer räuberischer Erpressung, versuchter schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen und Totschlags in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Weiterhin wurde die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet.

Mit Schriftsatz vom 20.04.2007 hat der Verteidiger beantragt, ihm eine angemessene Pauschvergütung gem. § 51 RVG zu bewilligen, mindestens jedoch in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühren von 17.624,47 EUR.

Der Bezirksrevisor bei dem Thüringer Oberlandesgericht wurde gehört und hat beantragt, eine Pauschgebühr gem. § 51 RVG i.H.v. 8.960,00 EUR (netto) zu bewilligen.

II.

Der Antrag auf Festsetzung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG ist im bezeichneten Umfang begründet.

1. Bei der Festsetzung einer Pauschgebühr ist von den gesetzlichen Gebühren auszugehen.

Diese ergeben sich aus dem Vergütungsverzeichnis Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (VV RVG) wie folgt:

- Grundgebühr nach Nr. 4101 VV RVG 162,00 EUR

- Verfahrensgebühr nach Nr. 4105 VV RVG 137,00 EUR

- Terminsgebühr nach Nr. 4103 VV RVG 137,00 EUR

- Verfahrensgebühr für den ersten Rechtszug

vor dem Schwurgericht nach Nr. 4119 VV RVG 322,00 EUR

- 13 Terminsgebühren nach Nr. 4121 VV RVG 5.642,00 EUR

- 3 Zuschläge zur Terminsgebühr (1., 5.,

6. Hauptverhandlungstag) nach Nr. 4122 VV RVG 534,00 EUR

- Zuschlag zur Terminsgebühr nach

Nr. 4123 VV RVG 356,00 EUR

Gesamtbetrag: 7.290,00 EUR

2. Die Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 08.04.2008 geht davon aus, dass zusätzlich auch im ...

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