Leitsatz (amtlich)

Der am Verfahren Beteiligte kann über den Wortlaut des § 13 FamFG hinaus die Entscheidung über die Akteneinsicht - wie jeder unbeteiligte Dritte - dann isoliert anfechten, wenn sein Akteneinsichtgesuch nicht Ausdruck seines Anspruchs auf rechtliches Gehör ist, weil der Beteiligte mit dem Gesuch gerade nicht beabsichtigt, sich über das konkrete Verfahren mit dem Ziel der Einflussnahme auf die Endentscheidung des Gerichts zu informieren, sondern - vergleichbar einem nicht am Verfahren beteiligten Dritten - davon abweichende Interessen verfolgt.

Da der Pflichtteilsberechtigte ein berechtigtes Interesse daran hat, sich Kenntnis vom Umfang des Nachlasses und damit von der Höhe seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen, umfasst das Recht auf Akteneinsicht auch die Nachlassaufstellung. Dass diese Aufstellung für einen anderen Zweck erstellt wurde, steht dem berechtigten Interesse des Pflichtteilsberechtigten nicht entgegen.

 

Normenkette

FamFG § 13

 

Verfahrensgang

AG Weimar (Beschluss vom 13.01.2011; Aktenzeichen 6 VI 459/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 28.2.2011 wird der Beschluss des AG - Nachlassgerichts - Weimar vom 13.1.2011 (Nichtabhilfeentscheidung vom 5.4.2011) aufgehoben.

Dem Beschwerdeführer wird Akteneinsicht durch Übersendung der vollständigen Nachlassakte - einschließlich der Nachlassaufstellung, Bl. 16 - 20 d.A. - an das für ihn zuständige Nachlassgericht bewilligt.

 

Gründe

I. Die am 4.7.2010 verstorbene Erblasserin hatte zwei Kinder, den Beteiligten zu 1. und den Beteiligten zu 2. Der Ehegatte der Erblasserin ist vorverstorben. Die Erblasserin hat den Beteiligten zu 2. durch öffentliches Testament vom 8.9.2008 zum Alleinerben eingesetzt. Das Nachlassgericht hat dem Beteiligten zu 2. am 13.1.2011 antragsgemäß einen Erbschein erteilt, der ihm bescheinigt, dass er die Erblasserin aufgrund testamentarischer Erbfolge allein beerbt.

Der Beteiligte zu 1. hat mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 13.12.2010 Einsicht in die Nachlassakte beantragt. Das Nachlassgericht hat am 13.1.2011 Akteneinsicht durch Übersendung der Nachlassakte an das AG Pößneck bewilligt und dabei das Nachlassverzeichnis (Bl. 16 - 10 d.A.) ausdrücklich von der Akteneinsicht ausgenommen. Auf Mitteilung des AG Pößneck, dass die Nachlassakte dort zur Einsicht vorliege, hat der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers am 14.2.2011 Akteneinsicht genommen. Mit Schreiben vom 15.2.2011 (Bl. 34 d.A.)

sowie nochmals mit Schreiben vom 28.2.2011 (Bl. 36f d.A.) wies der Verfahrensbevollmächtigte das Nachlassgericht Weimar darauf hin, dass er Einsicht in die vollständige Nachlassakte einschließlich des Nachlassverzeichnisses begehre.

Das Nachlassgericht hat das Schreiben vom 28.2.2011 (Bl. 36f d.A.) als Beschwerde ausgelegt, dieser nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. ist statthaft.

Da die Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch nach § 13 FamFG kein Akt der Justizverwaltung ist, sondern in richterlicher Unabhängigkeit durch das verfahrensführende Gericht getroffen wird, richtet sich die Anfechtbarkeit der Entscheidung grundsätzlich nach den Vorschriften des FamFG (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 2009, § 13 Rz. 64;Prütting/Helms/Jennissen, FamFG, 2009, § 13 Rz. 46 je m.w.N.).

Ist der von der Entscheidung über ein Gesuch um Akteneinsicht Betroffene zugleich Beteiligter des Verfahrens, soll die ablehnende Entscheidung als bloße Zwischenentscheidung - deren Anfechtbarkeit in § 13 FamFG nicht bestimmt ist - nicht selbständig mit der Beschwerde angreifbar sein; der Betroffene soll eine Verletzung seiner Rechte nur mit einer Beschwerde oder Rechtsbeschwerde gegen die Endentscheidung in der Sache unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Verstoßes gegen das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend machen können. Ist derjenige, zu dessen Nachteil die Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch ergangen ist, demgegenüber Dritter, so soll die Entscheidung über das Einsichtsbegehren mit der Beschwerde angefochten werden können, weil es sich in diesem Fall um eine Endentscheidung i.S.d. § 58 Abs. 1 FamFG handelt, durch die über das Begehren auf Akteneinsicht abschließend entschieden wird (so die ganz h.M., vgl. Keidel/Sternal, a.a.O., § 13 Rz. 67 ff; Prütting/Helms/Jennissen, a.a.O., § 13 Rz. 48 ff je m.w.N.)

Nach diesen Grundsätzen wäre vorliegend eine isolierte Anfechtung der Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch nicht statthaft, weil das Nachlassgericht den Beschwerdeführer, der als Sohn der Erblasserin bei Nichtvorliegen einer Verfügung von Todes wegen gesetzlicher Erbe nach § 1924 Abs. 1 BGB wäre, als Beteiligten hinzugezogen hat (§ 345 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 7 Abs. 3 FamFG). Der Beschwerdeführer müsste gegen die Erteilung des Erbscheins vorgehen, sofern er die Entscheidung des Nachlassgerichts, die Nachlassaufstellung von der Akteneinsicht auszunehmen, überprüft wissen will.

Über die dargestellten Grundsätze hinaus ist nach Ansic...

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