Leitsatz (amtlich)

›1. Die Staatskasse kann die ihr gem. § 1836e Abs. 1 S. 3 BGB aus dem Nachlass zu erstattenden Betreuungskosten gegen die unbekannten Erben des Betreuten - vertreten durch eine vom Nachlassgericht bestellte Nachlasspflegerin - im Verfahren nach §§ 56g Abs. 1 S. 2, Abs. 3, 69e FGG festsetzen lassen.

2. Im Festsetzungsbeschluss ist den unbekannten Erben in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens der §§ 305, 780 ZPO das Recht vorzubehalten, die persönlichen Haftungsbeschränkungen des § 1836e Abs. 1 S. 3 BGB i.V.m. § 92c Abs. 3 Nr. 2, Nr. 3 BSHG (nunmehr § 102 Abs. 3 SGB XII ) nachträglich geltend zu machen.‹

 

Verfahrensgang

LG Mühlhausen (Entscheidung vom 04.10.2005; Aktenzeichen 1 T 70/05)

 

Gründe

Die Erbfolge nach der im Jahre 2002 verstorbenen Betreuten ist derzeit ungeklärt, nachdem mehrere in Betracht kommende Erben die Erbschaft ausgeschlagen haben. Die Staatskasse nimmt aus dem vorhandenen Nachlass die unbekannten Erben - vertreten durch die vom Nachlassgericht bestellte Nachlasspflegerin - auf Erstattung von Kosten gem. § 1836e BGB in Anspruch, die für die Betreuung der Erblasserin entstanden sind. Das Landgericht ist der Ansicht, eine Kostenfestsetzung im Verfahren der § 56g Abs. 1 S. 2, Abs. 3, 69e FGG gegen die unbekannten Erben sei nicht zulässig, da andernfalls deren Rechte auf persönliche Haftungsbeschränkung verkürzt würden. Hinsichtlich der Darstellung des Sachverhalts und der für die Entscheidung des Landgerichts maßgebenden Gründe wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

1. Im Rahmen der vom Landgericht zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde (§ 56g Abs. 5 S. 2 FGG) beantragt der Bezirksrevisor Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückweisung der Erstbeschwerde. Nach seiner Auffassung ist die im Wege des § 1836e BGB auf die Staatskasse übergegangene Forderung gegen die Nachlasspflegerin als Vertreterin der unbekannten Erben festsetzbar. Die Interessen letzterer hätten gegenüber denen der Staatskasse zurückzustehen, insbesondere da sonst nach Ablauf einer Frist von drei Jahren das Erlöschen der übergegangenen Ansprüche zum Nachteil der Staatskasse drohe (§ 1836e Abs. 1 S. 3 BGB a.F. i.V.m. § 92c Abs. 4 S. 1 BSHG).

2. Die zulässige Beschwerde hat vorläufig Erfolg.

a) Das Landgericht hält rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen einer Festsetzung der zu erstattenden Betreuerkosten (§§ 56g Abs. 1, Abs. 3, 69e FGG) gegenüber den unbekannten Erben für nicht erfüllt. Zwar ist es zutreffend, dass mangels Kenntnis der Identität der Erben die Frage einer subjektiven - auf die Person des Erben zugeschnittenen - gesetzlichen Haftungsbeschränkung (§ 1836e Abs. 1 S. 3 BGB a.F. i.V.m. § 92c Abs. 3 Nr. 2, Nr. 3 BSHG) sich derzeit einer Überprüfung entzieht (eine gleich lautende Vorschrift enthält das seit 01.01.2005 geltende SGB XII in § 102 Abs. 3, auf das § 1836e Abs. 1 S. 3 BGB n.F. verweist). Gleichwohl steht dieser Umstand jedenfalls einer unter den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung gestellten Festsetzung nicht entgegen.

b) Die abweichende Ansicht des Landgerichts ist mit den Bestimmungen der § 1961 i.V.m. § 1960 Abs. 1 S. 2 BGB nicht vereinbar. Danach kann ein Nachlasspfleger bestellt werden, wenn der Erbe unbekannt oder wenn ungewiss ist, ob er die Erbschaft annimmt. Der Nachlasspfleger hat in diesen Fällen die gerichtliche Geltendmachung eines gegen den Nachlass gerichteten Anspruchs in Vertretung der unbekannten Erben je nach Berechtigung der Forderung abzuwehren oder dieser nachzukommen. Hinsichtlich des Anspruchs der Staatskasse auf Kostenersatz nach § 1836e Abs. 1 S. 3 BGB a.F. gegenüber den unbekannten Erben gelten insoweit keine Besonderheiten. Auch in einer solchen Konstellation kann ein Nachlasspfleger bestellt werden, dem ein im Verfahren nach § 56g Abs. 3 FGG ergangener Beschluss zugestellt werden kann, worin die Regressforderung gegen den unbekannten Erben festgesetzt ist (vgl. Münchener Kommentar-Wagenitz, BGB, 4. Aufl., § 1836e Rn. 20; Soergel/Zimmermann, BGB, 13. Aufl., § 1836e Rn. 19).

c) Im Übrigen vermag der Ansatz des Landgerichts auch deshalb nicht zu überzeugen, weil er zu sachlich nicht begründbaren Nachteilen für die Staatskasse führt. Denn nach § 1836e Abs. 1 S. 3 BGB a.F. i.V.m. § 92c Abs. 4 S. 1 BSHG erlischt der Anspruch der Staatskasse auf Kostenersatz in drei Jahren nach dem Tod des Betreuten. Kann die Erbfolge innerhalb dieser Frist nicht geklärt werden, könnte die Staatskasse eines an sich begründeten Anspruchs verlustig gehen, obwohl das Auffinden eines Erben und die Klärung einer Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft häufig längere Zeit in Anspruch nimmt und von Umständen abhängen kann, die das Gericht nicht oder nur begrenzt zu beeinflussen vermag. Gerade auch um solche unbilligen Ergebnisse zu vermeiden, kennt das Gesetz das Rechtsinstitut der Nachlasspflegschaft. Den unbekannten Erben bleibt dennoch die Möglichkeit erhalten, eine subjektive Haftungsbeschränkung nachträglich geltend zu machen (hierzu nachfolgend 4.).

Danach...

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