Verfahrensgang

ArbG Eisenach (Urteil vom 06.01.1994; Aktenzeichen 2 Ca 999/93)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.04.1996; Aktenzeichen 6 AZR 607/95)

 

Tenor

Es ergeht folgendes

Urteil:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Eisenach vom 06.01.1994, 2 Ca 999/93, abgeändert.

Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 10.000,00 DM (i. W. zehntausend Deutsche Mark) nebst 4 % Zinsen seit dem 01.10.1993 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat das beklagte L. zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt vom beklagten Land eine der Höhe nach unstreitige Abfindung nach dem Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 06.07.1992 (im folgenden: TV SozSich) wegen des Verlustes ihres Arbeitsplatzes.

Die Klägerin, Lehrerin für Polytechnik, trat am 01.08.1975 in den Schuldienst. Sie war zuletzt als Leiterin des dem Staatlichen Gymnasium R. angegliederten Internates tätig und erzielte in Vollbeschäftigung eine Bruttomonats Vergütung von 3.460,86 DM.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für Angestellte des Öffentlichen Dienstes Anwendung. Der im vorliegenden Rechtsstreit einschlägige TV SozSich hat – soweit von Interesse – folgenden Wortlaut:

Vorbemerkungen:

Die Tarifvertragsparteien sind sich darüber einig, daß bei erforderlichen Umstrukturierungen die Sicherung von Beschäftigungsmöglichkeiten sowie die Qualifizierung der Arbeitnehmer unter Nutzung aller bestehenden Möglichkeiten Vorrang hat gegenüber Entlassungen und den damit verbundenen Maßnahmen zur sozialverträglichen Abfederung.

Soweit trotz der Zielsetzung ein weiterer Arbeitsplatzabbau im Rahmen der Umstrukturierung unvermeidlich ist, gilt folgendes:

§ 1

Geltungsbereich

Dieser Tarifvertrag gilt für die unter den BAT-O, MTArb-O und BMT-G-O fallenden Arbeitnehmer.

Abfindung

(1) Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis gekündigt wird, weil

  1. er wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar ist oder

erhält eine Abfindung. …

(2) die Abfindung beträgt für jedes volle Jahr der Beschäftigungszeit… ein Viertel der letzten Monatsvergütung … bzw. des letzten Monatstabellenlohnes …, mindestens aber die Hälfte und höchstens das Fünffache dieser Vergütung bzw. dieses Lohnes. Sie darf den Betrag von 10.000,00 DM nicht übersteigen….

(3) Der Anspruch auf Abfindung entsteht am Tag nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Hat der Arbeitgeber gekündigt, wird die Abfindung fällig, sobald endgültig feststeht, daß das Arbeitsverhältnis beendet ist…

(5) Eine Abfindung steht nicht zu, wenn

a) die Kündigung aus einem vom Arbeitnehmer zu vertretenden Grund (z. B. Ablehnung eines anderen angebotenen Arbeitsplatzes, es sei denn, daß ihm die Annahme nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten billigerweise nicht zugemutet werden kann) erfolgt ist…

Die Klägerin, die nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, hat ihren Wohnsitz in R. Sie betreut ihre pflegebedürftige Mutter.

Mit Schreiben vom 16.01.1992 (Bl. 70 d. A.) beantragte die Klägerin ihre Versetzung. Das Schreiben hat folgenden Inhalt:

Da aus meiner Sicht der Fortbestand des Internates des Staatlichen Gymnasiums in R. aus Kostengründen nicht mehr gewährleistet ist, möchte ich Sie höflichst bitten, mich bei den Zuweisungsverfahren für das kommende Schuljahr zu berücksichtigen (Werken Kl. 4–6, Unterstufe Werken, Englisch (11 Jahre Unterrichtserfahrung) oder eine Arbeitsstelle als Erzieher).

Auf eine Vollbeschäftigung bin ich angewiesen. Im Rahmen Ihrer Möglichkeiten wäre ich für einen Einsatz in R. S., übriges E. oder E. sehr dankbar, da ich meine pflegebedürftige Mutter betreuen muß.

Das beklagte Land führte das Internat in R. nicht fort. Die Klägerin wurde – was die Parteien nach der im ersten Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme im Berufungsverfahren nicht mehr streitig stellen – eine 3/4 Stelle als Lehrerin an der … Regelschule in E. angeboten. Die Entfernung zwischen R. und E. beträgt 22 Kilometer, die Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln ca. 40 Minuten.

Die Klägerin lehnte den angebotenen Arbeitsplatz, der – wie sie in der Berufungsverhandlung einräumte – ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprach, ab. Das beklagte L. kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 11.08.1992 zum 30.09.1992 unter Berufung auf die Vorschriften des Einigungsvertrages wegen mangelnden Bedarfes (Bl. 5 und 6 d. A.).

Die Klägerin akzeptierte die Kündigung und machte die Abfindung gem. TV SozSich geltend. Mit Schreiben vom 11.11.1992 bestätigte das zuständige Schulamt zunächst den Eingang des Antrages auf Abfindungszahlung (Bl. 7 d. A.). Mit Schreiben des Landesverwaltungsamtes vom 18.05.1993 (Bl. 8 d. A.) lehnte das beklagte L. die Zahlung einer Abfindung schließlich ab, da die Kündigung aus einem von der Klägerin zu vertretenden Grund (Ablehnung eines anderen zumutbaren Arbeitsplatzes) erfolgt sei. Daraufhin hat die Klägerin am 16.06.1993 beim Arbeitsgericht Klage auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 10.000,00 DM erheben lassen.

Die...

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