Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Arbeitnehmerkündigung wegen erheblicher Gehaltskürzungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Gehaltsrückstand kann an sich geeignet sein, einen wichtigen Grund zur fristlosen Arbeitnehmerkündigung i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Nichtzahlung des Lohns eine nicht unerhebliche Höhe erreicht oder der Verzug mit der Lohnzahlung sich über einen erheblichen Zeitraum hinweg erstreckt und der Arbeitnehmer dieses Verhalten des Arbeitgebers abgemahnt hat. Bei fortlaufenden Lohnabzügen von etwa 30 % der monatlichen Vergütung ist dem Arbeitnehmer ein Abwarten der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zuzumuten.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Suhl (Entscheidung vom 16.10.2018; Aktenzeichen 1 Ca 533/18)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 01.10.2020; Aktenzeichen 2 AZR 214/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das 1. Teilurteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 16.10.2018 - 1 Ca 533/18 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Arbeitnehmerkündigung vom 16.04.2018.

Die Parteien schlossen am 05.12.2014 einen Arbeitsvertrag, nachdem der Beklagte ab dem 01.01.2015 beim Kläger als Vollbeschäftigter nach den Regelungen des TVöD-VKA eingestellt wurde. Als Nebenabrede wurde vereinbart, dass der Beklagte sich verpflichtete, bis zum Ablauf des 31.03.2017 die Laufbahnausbildung des mittleren feuerwehrtechnischen Dienstes erfolgreich zu absolvieren. Hierzu wurde am gleichen Tag die "Vereinbarung über die Rückerstattung von Fortbildungskosten" abgeschlossen, die für die Zeit des Fortbildungszeitraums vom 01.01.2015 bis 31.03.2017 die Freistellung des Beklagten unter Fortzahlung des Entgelts nach der Entgeltgruppe 6 TVöD vorsah. Daneben verpflichtete sich der Kläger zur Übernahme der gesamten Fortbildungskosten, die mit voraussichtlich 80.009,32 EUR beziffert wurden. Weiterhin enthielt die Fortbildungsvereinbarung eine Bindungsdauer an das Arbeitsverhältnis von 5 Jahren nach Abschluss der Fortbildung sowie eine Rückzahlungsklausel, die eine Verminderung des Rückzahlungsbetrages um 1/60 für jeden vollen Monat der Beschäftigung nach Beendigung der Fortbildung vorsah. Der Wortlaut der Rückzahlungsvereinbarung lautet dabei (auszugsweise):

"1) Die in § 4 aufgeführten Kosten sind in vollem Umfang zu erstatten, wenn

1. der/die Beschäftigte nach erfolgreichem Abschluss der Fortbildung das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der in § 5 genannten Bindungsdauer beendet, ohne dass der Arbeitgeber hierzu Veranlassung gegeben hat,

2. der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Gründen, die in dem Verhalten des Beschäftigten / der Beschäftigten liegen beendet, oder,

3. es auf Wunsch des Beschäftigten / der Beschäftigten zur Aufhebung des Arbeitsverhältnisses kommt.

2) Der Rückzahlungsbetrag vermindert sich in den Fällen des Abs. 1 für jeden vollen Monat der Beschäftigung nach Beendigung der Fortbildung entsprechend der Bindungsdauer nach § 5 Abs. 2 um 1/60 bei einer Bindungsdauer von 5 Jahren.

..."

Der Beklagte absolvierte vereinbarungsgemäß die Fortbildung erfolgreich und wurde bereits ab dem 01.01.2017 nach der Entgeltgruppe 9a TVöD vergütet.

Mit Schreiben vom 15.02.2018, dem Kläger am 19.02.2018 zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.03.2018. Unter dem 01.03.2018 bestätigte der Kläger den Eingang des Kündigungsschreibens, rügte die Einhaltung der Kündigungsfrist und wies darauf hin, dass eine Rückzahlungspflicht i.H.v. 69.067,78 EUR bestehen würde. Er kündigte an, im Zeitraum vom 01.02.2018 bis 30.06.2018 die monatlichen Bezüge unter Einhaltung der Pfändungsfreigrenzen zu kürzen. Hinsichtlich des weiteren Wortlauts dieses Schreibens wird auf die Anlage 4 (Bl. 16 der Akten) verwiesen.

Am 05.03.2018 zahlte der Kläger an den Beklagten als Vergütung für Februar 2018 einen Betrag i.H.v. 1.391,34 EUR bei einer Abrechnung von zunächst 2.423,34 EUR brutto.

Mit Schreiben des Beklagtenbevollmächtigten vom 07.03.2018 an den Kläger widersprach dieser unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 01.03.2018 dem Rückforderungsbegehren und der angekündigten und für Februar bereits durchgeführten Kürzung der Bezüge. Gleichzeitig forderte er den Kläger unter Fristsetzung bis 16.04.2018 zu einer verbindlichen Erklärung auf. Hinsichtlich des Inhalts dieses Schreibens wird auf die Anlage B4 (Bl. 70-72 der Akten) verwiesen.

Mit erneutem Schreiben vom 16.03.2018 forderte der Beklagtenvertreter unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 07.03.2018 den Kläger auf, den errechneten Differenzbetrag der Februar-Vergütung i.H.v. 1.032,30 EUR bis spätestens Ende März 2018 zur Auszahlung zu bringen. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass sich sein Mandant im Falle des klägerischen Beharrens auf der nicht vertretbaren Rechtsauffassung vorbehalte, weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, die bis zum Ausspruch einer au...

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