Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzanfechtung

 

Leitsatz (amtlich)

Kenntnis eines Gläubigers (hier: Elektromonteur) von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach § 130 Abs. 1 und 2 InsO auf Grund eigener Lohnrückstände von 5 Monaten sowie Rückständen bei Lohn- und Gehaltszahlungen an einen Großteil der übrigen Beschäftigten (vorliegend: verneint).

 

Normenkette

InsO §§ 130, 130 Abs. 1-2, § 133 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Nordhausen (Urteil vom 02.12.2008; Aktenzeichen 1 Ca 1201/06)

ArbG Erfurt (Aktenzeichen 1 Ca 1201/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 06.10.2011; Aktenzeichen 6 AZR 732/10)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 2. Dezember 2008 – 1 Ca 1201/06 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Insolvenzanfechtung.

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Gläubigerantrag vom 02.08.2004, eingegangen am 04.08.2010, am 14.10.2004 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des W. Sch. (fortan: Schuldner).

Der Schuldner betrieb unter der Firma Sch. Elektroanlagenbau ein Unternehmen mit ca. 40 Arbeitnehmern.

Der Beklagte war bei ihm von 1994 bis 17.08.2004 als Elektromonteur beschäftigt. Ab Oktober 2003 geriet der Schuldner mit den Lohn- und Gehaltszahlungen in unterschiedlichem Umfang zunehmend in Rückstand. Grund hierfür war unter anderem ein Streit mit dem Auftraggeber eines Krankenhausbaues in E.., der die gestellte Rechnung über ca. eine Millionen Euro nicht anerkannte. Dieser Streit ging durch die Lokalpresse, so u. a. am 03.06.2004, 10.06.2004 und 11.06.2004 (Bl. 9 – 11 d. A.).

Der Beklagte erhielt seinen Lohn für November 2003, fällig am 15. des Folgemonats, am 01.04.2004. Am 14.05.2004, 21.06.2004 und Ende Juli 2004 zahlte der Schuldner an verschiedene Arbeitnehmer, unter ihnen der Beklagte, rückständige Löhne. Der Beklagte erhielt am 14.05.2004 Restlohn für Dezember 2003 in Höhe von 949,84 Euro, am 21.06.2004 Lohn für Januar 2004 in Höhe von 1.317,81 Euro und am 30.07.2004 Lohn für Februar 2004 in Höhe von 1.238,31 Euro. Weitere Arbeitsvergütung zahlte der Schuldner nicht. Der Beklagte beendete deshalb das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung zum 17.08.2004.

Der Beklagte war bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Montage oder auf den Baustellen vor Ort eingesetzt. Er erhielt immer seine Auslöse. Darüber hinaus erstattete der Schuldner ihm die Kosten für Unterkünfte und Kraftstoff.

Spätestens ab Mai 2004 war der Schuldner zahlungsunfähig. Am 02.05.2004 bestanden Drittforderungen in Höhe von 1.171.955,28 Euro. Die Lohnverbindlichkeiten des Schuldners beliefen sich am 14.05.2004 auf insgesamt 159.803,79 Euro, Ende Juli auf 270.948,52 Euro und zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung Anfang August 2004 auf 236.251,22 Euro.

Für den Zeitraum vom 01.03.2004 bis 17.05.2004 wurden Ansprüche des Beklagten zur Insolvenztabelle in Höhe von 4.156,33 Euro festgestellt. Mit Insolvenzgeldbescheid von Ende November 2004 wurde dem Beklagten für den Zeitraum vom 18.05.2004 bis 17.08.2004 Insolvenzgeld bewilligt.

Der Rechtsvorgänger des Klägers im Amt des Insolvenzverwalters fochte mit Schreiben vom 07.12.2005 (Bl. 16 f d. A.) die am 14.05.2004, 21.06.2004 und 30.07.2004 an den Beklagten geleisteten Lohnzahlungen an.

Mit der am 26.06.2006 beim Arbeitsgericht eingegangen Klage hat der Kläger die Rückzahlung der dem Beklagten am 30.07.2004 gezahlten Vergütung für Februar 2004 in Höhe von 1.238,31 Euro sowie eines Teils der am 21.06.2004 für Januar 2004 gezahlten Vergütung in Höhe von 1.029,14 Euro, mithin insgesamt 2.267,65 Euro verlangt. Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl.197 ff d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung, der Anspruch sei verwirkt, abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 200 ff d. A.) verwiesen.

Gegen das ihm am 09.01.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.01.2009 Berufung eingelegt und diese am 26.02.2009 begründet.

Der Kläger meint, der Anspruch sei nicht verwirkt. Er ist weiter der Auffassung, der Beklagte sei zur Rückzahlung der streitgegenständlichen Ansprüche verpflichtet.

Der Kläger behauptet, der Beklagte habe positive Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, zumindest aber von den Umständen gehabt, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit gem. § 130 Abs. 2 InsO hätten schließen lassen. Ihm seien seine eigenen, weit über den vom BGH aufgestellten Dreiwochenzeitraum hinaus, ausstehenden Lohnforderungen bekannt gewesen, ebenso die aller anderen Mitarbeiter. Seine Kenntnis habe er unter anderem aus den wöchentlichen Arbeitsberatungen, in welchen die wirtschaftliche Situation des Schuldners diskutiert worden sei, bezogen. Zudem habe der Schuldner die Außenstände von über einer Million Euro in den Betriebsversammlungen gegenüber den Arbeitnehmern kommuniziert. Außerdem sei hierüber in der Presse bericht...

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