Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenz nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit, Verbindlichkeiten des Neumassegläubigers

 

Leitsatz (amtlich)

1) Nach angezeigter Masseunzulänglichkeit können auch Masseforderungen im Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO (sog. Neumasseverbindlichkeiten) nur im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht werden.

2) Der erste Termin i. S. des § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO, zu dem der Verwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte, richtet sich ausschließlich nach der objektiv gegebenen Kündigungsmöglichkeit des Verwalters, nicht aber danach, wann der Verwalter die unternehmerische Entscheidung trifft, den Betrieb des Schuldners stillzulegen.

 

Normenkette

InsO §§ 208-209

 

Verfahrensgang

ArbG Erfurt (Urteil vom 28.11.2001; Aktenzeichen 4 Ca 4028/2000)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 31.03.2004; Aktenzeichen 10 AZR 253/03)

 

Tenor

1) Auf die Berufung des Beklagten wird, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen, das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 28.11.2001, Az.: 4 Ca 4028/00, abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Klägerin ein Massenschuldanspruch in Höhe von 3.799,68 EUR brutto abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 1.466,99 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

  • für den Zeitraum vom 01.02. bis 15.02.2001 aus 1.899,84 EUR brutto
  • für den Zeitraum ab 16.02.2001 aus 1.899,84 EUR abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 746,41 EUR netto,
  • ab dem 01.03.2001 aus einem Betrag in Höhe von 1.899,84 EUR brutto abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 720,57 EUR netto

zusteht.

2) Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3) Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Feststellung der Gehälter der Klägerin für die Monate Januar und Februar 2001 als Masseverbindlichkeiten und den Rang dieser Forderung.

Die Klägerin war seit 01.10.1995 im Betrieb E. der Fa. M. GmbH & Co. KG beschäftigt. Über das Vermögen der Arbeitgeberfirma wurde mit Beschluss vom 01.11.1999 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte als Insolvenzverwalter bestellt.

Der Beklagte hat im Juli 2000 gegenüber dem Insolvenzgericht angezeigt, dass Masseunzulänglichkeit vorliegt. Die Anzeige wurde am 19.07.2000 öffentlich bekannt gemacht.

Der Beklagte führte das Unternehmen der Gemeinschuldnerin zunächst fort.

Der Beklagte hat mit Schreiben vom 21.11.2000 das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 28.02.2001 gekündigt. Der Beschäftigungsbetrieb der Klägerin stellte seine Einzelhandelstätigkeit am 16.02.2001 ein. Die Klägerin wurde für die Monate Januar und Februar 2001 von der Arbeitsleistung freigestellt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte die Gehälter für die Monate Januar und Februar 2001 abzüglich der auf das Arbeitsamt übergegangenen Ansprüche als Masseverbindlichkeiten im Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO schulde. Es handele sich um Ansprüche gem. § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO, nämlich um Ansprüche aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Beklagte nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte.

Die Klägerin hat, soweit im Berufungsrechtszug noch erheblich, beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 7.431,52 DM brutto abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 2.869,18 DM netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % -Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für den Zeitraum vom 01. bis 15.02.2001 aus 3.715,76 DM brutto und für den Zeitraum ab 16.02.2001 aus 3.715,76 DM brutto abzüglich 1.459,86 DM netto sowie ab dem 01.03.2001 aus einem Betrag in Höhe von 3.715,76 DM abzüglich 1.409,32 DM netto zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die von der Klägerin erhobene Leistungsklage sei unzulässig, da nach Anzeige der Masseunzulässigkeit nur auf Feststellung geklagt werden könne.

Auch handele es sich nicht um Ansprüche im Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO, sondern um Masseverbindlichkeiten gem. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO.

Ein Fall des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO i. V. mit Abs. 2 Nr. 2 liege nicht vor. Die Entscheidung, den Betrieb in E. zu schließen, sei vom Gläubigerausschuss in der Sitzung vom 23.10.2000 getroffen worden. Die Umsetzung der Schließung zum 28.02.2001 sei erst am 26.10.2000 mit den leitenden Angestellten der Gemeinschuldnerin erörtert worden und in einen Schließungsplan umgesetzt worden. Erst ab diesem Zeitpunkt hätten die Voraussetzungen für den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen vorgelegen. Die Kündigungen sämtlicher Arbeitnehmer des Betriebes in E. seien dann auch noch im November 2000 ausgesprochen worden.

Das Arbeitsgericht hat der Leistungsklage stattgegeben. Es hat angenommen, der Beklagte hätte die Kündigung der Klägerin zu einem Termin vor dem 28.02.2001 aussprechen können, da die Anzeige der Masseunzulänglichkeit bereits Mitte des Jahres erfolgt sei. Es liege ein Fall des § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO vor. Die Vergütungsansprüche der Klägerin seien im Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu berichtigen.

Dagegen richtet sich die Ber...

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