Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachteilsausgleich in der Insolvenz

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vorschriften des BetrVG über Interessenausgleich, Sozialplan und Nachteilsausgleich haben auch in der Insolvenz Geltung ohne Rücksicht darauf, ob schon bei Insolvenzeröffnung ein Betriebsrat bestand oder ob er erst danach gewählt wurde.

 

Normenkette

BetrVG § 111 ff., § 113; InsO §§ 38, 123 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Jena (Urteil vom 21.12.2001; Aktenzeichen 3/4/3 Ca 259/01)

 

Tenor

1) Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Jena – 3/4/3 Ca 259/01 – vom 21.12.2001 wird zurückgewiesen.

2) Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung

3) Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht mit ihrer Klage, soweit in der Berufungsinstanz noch anhängig, die Verpflichtung des Beklagten geltend, an die Klägerin einen Nachteilsausgleich gem. § 113 BetrVG zu zahlen.

Die Klägerin war bis zu ihrer Kündigung am 30.06.2001 bei der Gemeinschuldnerin tätig. Über deren Vermögen wurde mit Beschluss vom 01.11.1999 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Verwalter bestimmt. Vor Insolvenzeröffnung bestand im Betrieb der Gemeinschuldnerin noch kein Betriebsrat. Dieser wurde im Jahre 2000 gewählt und konstituierte sich ebenfalls in diesem Jahr. Nach eigenem Vortrag kam der Beklagte Anfang März 2001 zu dem Ergebnis, dass der in J. befindliche Betrieb der Gemeinschuldnerin, in welchem die Klägerin beschäftigt war, geschlossen werden müsse. Der Schließungsplan zum 31.05.2001 sei am 19.03.2001 aufgestellt worden.

Ein schriftlicher Interessenausgleich wurde zwischen dem Beklagten und dem Betriebsrat nicht abgeschlossen.

Wegen des erstinstanzlichen Parteivortrages, wegen der gestellten Anträge und wegen der richterlichen Feststellungen wird gem. § 69 Abs. 3 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die erstinstanzlich zu den Akten gereichten Schriftsätze und Schriftstücke Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Jena hat mit Urteil vom 21.12.2001 die Kündigungsschutzklage der Klägerin abgewiesen und dem Antrag der Klägerin auf Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet sei, an die Klägerin eine angemessene Abfindung zu zahlen mit einem Betrag in Höhe von 5.000,00 DM stattgegeben.

Gegen dieses ihm am 18.02.2002 zugestellte Urteil legte der Beklagte am 18.03.2002 Berufung ein und begründete diese Berufung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 21.05.2002 am 21.05.2002.

Der Beklagte wiederholt und vertieft im wesentlichen seinen Vortrag erster Instanz und weist insbesondere darauf hin, dass nur diejenigen Ansprüche gemeinschaftlich gem. § 38 InsO befriedigt werden sollten, die schon vor der Insolvenzeröffnung bestanden hätten. Zudem bestehe ein Anspruch auf Nachteilsausgleichung gem. § 113 BetrVG deswegen nicht, weil der Betriebsrat erst nach Insolvenzeröffnung gebildet worden sei. Es widerspreche aber dem Grundgedanken der Insolvenzordnung, dass es die Arbeitnehmer in der Hand hätten, mit der Bildung eines Betriebsrates noch nach Insolvenzeröffnung eine Vorrangbefriedigung vor den normalen Insolvenzgläubigern zu erlangen. Schließlich sei der Insolvenzverwalter in bis dahin betriebsratslosen Betrieben praktisch gezwungen, den insolventen Betrieb zu zerschlagen, um eine Schmälerung der Masse durch Abfindungsansprüche zu vermeiden, die wegen der Existenz eines nach Insolvenzeröffnung gewählten und gebildeten Betriebsrats in Form von Abfindungsansprüchen der Arbeitnehmer entstehen könnten.

Der Beklagte (Berufungskläger) beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Jena vom 21.12.2001 – 3/4/3 Ca 259/01 – abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin (Berufungsbeklagte) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin bezieht sich zur Begründung auf die rechtlichen Ausführungen des Arbeitsgerichts Jena im angefochtenen Urteil.

Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der in der Berufungsinstanz zu den Akten gereichten Schriftsätzen und Schriftstücke und auf den Inhalt der Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete und insgesamt zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Gericht bezieht sich vollinhaltlich gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand und die äußerst sorgfältig und zutreffend dargestellten Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 21.12.2001.

Die Ausführungen des Beklagten in der Berufungsbegründung geben lediglich Anlass für ergänzende Hinweise.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht den Feststellungsantrag für die zulässige Klageform gehalten. Bei Gefahr der Masseunzulänglichkeit, die im vorliegenden Falle vom Beklagten angezeigt worden ist, dürfen einzelne Massegläubiger nicht ohne Rücksicht auf andere ranggleiche Gläubiger in die Masse vollstrecken. Ein Leistungsurteil darf daher nicht ergehen. Stattdessen ist ein Feststellungsurteil sachgerecht, da davon auszugehen ist, dass der Insolvenzverwalter – der Beklagte – aufgrund des Festste...

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