Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichbehandlung bei der Verminderung einer Abfindung wegen Rentenberichtigung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Ausschluss einer Abfindung nach dem Ausscheiden einer nach § 39 SGB VI rentenberechtigten Arbeitnehmerin gem. § 2 Abs. 6 und 7 des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung vom 06.07.1992 verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 2 GG noch gegen Art. 5 Abs. 1 EG – Richtlinie Nr. 76/207 vom 09.02.1997.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 2; SGB VI § 39; EWGRL 207/76

 

Verfahrensgang

ArbG Gotha (Urteil vom 26.11.1993; Aktenzeichen 4/3 Ca 423/93)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gotha vom 26.11.1993 (Az.: 4/3 Ca 423/93) abgeändert und die Klage auf Kosten der Klägerin abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Abfindung nach dem Tarifvertrag zur sozialen Absicherung für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst der neuen Bundesländer vom 6.7.1992 (im Folgenden SozialTV).

Die am 27.3.1932 geborene Klägerin war vom 23.10.1958 bis zum 30.9.1992 als Lehrerin bei dem beklagten Freistaat im Bereich des Schulamtes B. L. beschäftigt. Ihr letztes Bruttogehalt betrug DM 3.126,97.

Am 29.6.92 schlossen die Parteien, die beide kraft Organisationszugehörigkeit tarifgebunden sind, einen Aufhebungsvertrag, der – soweit von Bedeutung – wie folgt lautet:

„Der am … geschlossene Arbeitsvertrag wird im beiderseitigen Einvernehmen auf Grund des Personalabbaus zum 01.10.92 aufgehoben”.

Ab 1.10.1992 erhielt die Klägerin Altersübergangsgeld.

In der Arbeitsbescheinigung, die das Landratsamt B. L., Schulamt, am 2.9.1992 ausfüllte und an das Arbeitsamt sandte (Bl. 4 d. A.), war in der Rubrik

„Wurde eine der folgenden Leistungen gezahlt oder ist eine solche Leistung noch zu zahlen ? … Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses… „

das dafür vorgesehene „Ja-Feld” angekreuzt, ohne dass das gleichfalls vorgesehene Feld für die Angabe der Höhe der Leistung in DM ausgefüllt worden war.

Mit Schreiben vom 23.12.1992 machte die Klägerin eine Abfindungszahlung nach dem SozialTV in Höhe von DM 10.000,00 geltend.

Diesen Anspruch hat der Beklagte mit Schreiben vom 23.4.1993 unter Hinweis auf § 2 Abs. 6 und 7 SozialTV abgelehnt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die von der Beklagten vorgenommene Auslegung des SozialTV verstoße gegen Art. 3 Abs. 2 GG. Dies ergebe sich daraus, dass bei der Anwendung von § 2 Abs. 7 SozialTV ein 60-jähriger Mann unter Bezug von Altersübergangsgeld die Abfindung beanspruchen könne, eine 60-jährige Frau wie die Klägerin jedoch nicht. Sie habe sich zur Vermeidung von finanziellen Nachteilen, insbesondere einer geringeren Rente, entschlossen, keine Altersrente zu beantragen, sondern Altersübergangsgeld gem. § 249 e AFG in Anspruch zu nehmen. Die ausdrücklich zu Gunsten der Frauen geregelte rentenversicherungsrechtliche Differenzierung des Altersruhegeldbezuges in § 39 SGB VI habe dadurch im Bereich der Abfindung nach SozialTV eine gerade gegenteilige Wirkung.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie DM 10.000,00, hilfsweise DM 1.663,00 nebst

4 % Zinsen seit dem 1.10.1992 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Gotha hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung des früheren Mitarbeiters des Beklagten über eine vorher von der Klägerin behauptete, nach der Beweisaufnahme aber nicht aufrechterhaltene Tatsache einer mündlichen Zusicherung der Zahlung einer Abfindung mit Urteil vom 26.11.1993 der Klage stattgegeben. Die Abfindung sei der Klägerin zwar weder mündlich noch durch die Ausstellung der Arbeitsbescheinigung für das Arbeitsamt zugesichert worden. Der Anspruch ergebe sich aber aus einer dem Beklagten zurechenbaren Rechtsscheinhaftung nach § 242 BGB. Dieser habe mit der entsprechenden Ausfüllung der Arbeitsbescheinigung einen Rechtsscheintatbestand geschaffen, auf den die Klägerin habe vertrauen dürfen.

Dieses Urteil wurde dem beklagten Freistaat am 24.2.1994 zugestellt. Hiergegen hat er am 24.3.1994 Berufung eingelegt und diese nach einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24.5.1994 mit am gleichen Tage eingehendem Schriftsatz begründet.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass ein Vertrauenstatbestand für die Klägerin nicht entstanden sei.

Er beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Gotha vom 26.11.1993 (Az.: 4/3 Ca 423/93) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf die Begründung des erstinstanzlichen Urteils und den erstinstanzlichen Vortrag, ergänzend führt sie aus, dass der Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 7 SozialTV auch wegen eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot gem. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 76/207 des Rates der EG vom 9.2.1976 unwirksam sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung is...

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