Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermittlungsvorschläge und verbindliche Arbeitsvertragsangebote der Bundeagentur für Arbeit. Auskunftsanspruch über alle Vermittlungsangebote der Bundesagentur für Arbeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Besteht zwischen den Parteien Streit darüber, ob unter den von der Bundesagentur für Arbeit unterbreiteten Arbeitsplatzangeboten nur solche mit verbindlichem Angebotscharakter zu verstehen sind, sprechen das allgemeine Sprachverständnis und auch die Aufgabenstellung der Bundesagentur für Arbeit dafür, dass unter "Arbeitsplatzangeboten" sowohl Vermittlungsvorschläge als auch verbindliche Arbeitsvertragsangebote zu verstehen sind.

2. Um die Voraussetzungen eines Annahmeverzugs näher prüfen zu können, kann der Arbeitgeber einen Auskunftsanspruch bezüglich aller Vermittlungsvorschläge der Bundesagentur für Arbeit gegen den arbeitssuchenden ehemaligen Beschäftigten durchsetzen.

 

Normenkette

HGB § 74c Abs. 2; SGB II § 121

 

Verfahrensgang

ArbG Erfurt (Entscheidung vom 15.09.2017; Aktenzeichen 2 Ca 223/17)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.05.2020; Aktenzeichen 5 AZR 387/19)

 

Tenor

1) Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 15.09.2017 (2 Ca 223/17) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2) Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im vorliegenden Berufungsverfahren streiten die Parteien um einen Auskunftsanspruch der Beklagten gegen den Kläger im Rahmen des Annahmeverzuges.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 03.06.1996 als "Bauhandwerker" beschäftigt. Die Beklagte sprach gegenüber dem Kläger seit 2011 mehrere Kündigungen aus, unter anderem die Kündigung vom 30.01.2013 fristlos und hilfsweise ordentlich. Im anschließenden Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Erfurt (7 Ca 179/13) obsiegte der Kläger in zweiter Instanz rechtskräftig. Gegen den Anspruch des Klägers auf Annahmeverzugslohn im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Erfurt unter dem Az. 2 Ca 223/17 wandt die Beklagte ein, dass der Kläger anderweitigen Erwerb böswillig unterlassen habe. Deshalb begehrte sie vom Kläger Auskunft über die dem Kläger von der Bundesagentur für Arbeit unterbreiteten Arbeitsplatzangebote und Vermittlungsvorschläge im Wege der Widerklage.

Im Teilurteil vom 15.09.2017 verurteilte das Arbeitsgericht Erfurt den Kläger, der Beklagten schriftlich Auskunft zu erteilen, welche Arbeitsplatzangebote dem Kläger durch die Bundesagentur für Arbeit und das Jobcenter im Zeitraum vom 01.02.2013 bis 30.11.2015 unterbreitet wurden, unter Nennung der Tätigkeit, der Arbeitszeit und des Arbeitsortes, der Vergütung in EUR.

Hinsichtlich des Tatbestands und der Anträge dieses Urteils wird auf dieses Urteil verwiesen (Bl. 239 ff. d. A.).

Der Kläger legte gegen dieses Urteil Berufung ein und führt hierzu aus:

Der Kläger habe erstinstanzlich vollumfänglich Auskunft erteilt und damit den Auskunftsanspruch erfüllt. Weshalb dann gleichwohl das Teilurteil erging, sei nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, aufgrund welcher Anspruchsgrundlage das Arbeitsgericht Erfurt den Tenor eins ausgeurteilt hätte. Im Urteil finde sich hierzu keine Angabe.

Der Kläger beantragt daher in der Berufung:

1. Unter Abänderung des Teilurteils des Arbeitsgerichts Erfurt vom 15.09.2017, Az. 2 Ca 223/17, wird die Widerklage vollumfänglich zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Es wird Zulassung der Revision beantragt.

Die Beklagte beantragt, die Zurückweisung der Berufung und führt insbesondere aus:

Im Hinblick auf den Auskunftsanspruch sei ein solcher durch den Kläger nicht erfüllt, denn der Kläger habe vorliegend weder substantiiert bestritten noch substantiiert vorgetragen, was er nicht oder was er erzielt hätte. Im Zeitraum 2013 bis 2015 sei der Kläger beobachtet worden, wie er mit einer Brötchentüte und in Arbeitsbekleidung in ein Haus gegangen sei, dass offensichtlich saniert werde. Mithin sei von einer Arbeitstätigkeit auszugehen.

Soweit der Kläger und Widerbeklagte vorliegend die Anspruchsgrundlage problematisiere, werde darauf hingewiesen, dass es sich vorliegend zum einen um einen allgemeinen Auskunftsanspruch handeln würde, zum anderen um ein Verlangen des Arbeitgebers, dass sich das Bundesarbeitsgericht insbesondere dann, wenn anderweitiger Leistungsbezug erfolge, legitim sei. Noch legitimer erscheine dieses Auskunftsverlangen dann, wenn ein Mitarbeiter seit mehr als fünf Jahren arbeitslos sei und vorgebe, keinerlei Tätigkeit nachgehen zu können. Mithin frage sich, ob überhaupt ein Leistungswille gegeben sei. Insoweit sei ein Auskunftsanspruch sehr wohl gegeben, da an der Ernsthaftigkeit des anderweitigen Erwerbs zu zweifeln sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteienvortrags wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist zulässig, sie wurde form- und fristgerecht eingelegt.

II.

Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Arbeitsgericht hat den Anspruch auf Auskunft zutreffend bejaht. Die Berufungskammer fol...

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