Entscheidungsstichwort (Thema)

stillschweigende Gewährung von PKH für den Mehrwert eines Vergleiches

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Beendigung der Instanz.

2. Wenn das Gericht nach Abschluss eines gerichtlichen Vergleiches, in dem auch zusätzlich nicht rechtshängige Ansprüche geregelt werden, mit Rückwirkung ab einem Zeitpunkt vor Abschluss des Vergleiches „für den ersten Rechtszug” Prozesskostenhilfe bewilligt, ist davon auszugehen, dass es von einer stillschweigenden Antragserweiterung im Hinblick auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch für die im Vergleich mit geregelten Ansprüche ausgeht.

Dem beigeordneten Rechtsanwalt steht deshalb eine Vergleichsgebühr nach dem Mehrwert des Vergleiches zu.

 

Normenkette

BRAGO § 23; ZPO § 114f

 

Verfahrensgang

ArbG Erfurt (Beschluss vom 05.06.2002; Aktenzeichen 4 Ca 519/02)

 

Tenor

wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin beim Arbeitsgericht Erfurt vom 05.06.2002 – 4 Ca 519/02 – insoweit aufgehoben, als die Urkundsbeamtin den Mehrwert des Vergleiches vom 15.03.2002 bei der Vergütungsfestsetzung nicht berücksichtigt hat.

Der Urkundsbeamtin wird aufgegeben, eine Neufestsetzung nach Maßgabe dieser Entscheidung vorzunehmen.

 

Tatbestand

I

In dem zugrundeliegenden Rechtsstreit über die Feststellung der Wirksamkeit einer Kündigung im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses beantragte der Beschwerdeführer im Klagebegründungsschriftsatz vom 06.03.2002 die Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Kläger und kündigte die Nachreichung der Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse an.

Im Termin zur Güteverhandlung vom 15.03.2002 schlossen die Parteien einen rechtswirksamen Vergleich, in dessen Ziff. 2 sich der Arbeitgeber verpflichtete, an den Kläger als pauschalisierten Schadensersatz nach § 16 Berufsbildungsgesetz einen Betrag von EUR 2.556,46 zu zahlen.

Im gleichen Termin setzte das Arbeitsgericht den Streitwert für die Klage auf EUR 981,69 und für den Vergleich auf EUR 3.538,15 fest. Es gab weiterhin dem Kläger bis zum 28.03.2002 Gelegenheit, die Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse nachzureichen.

Nach fristgerechter Einreichung dieser Erklärung bewilligte der Kammervorsitzende mit Beschluss vom 16.04.2002 dem Kläger Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug ab dem 15.03.2002 unter Beiordnung des Beschwerdeführers.

Mit Antrag vom 21.03.2002, beim Arbeitsgericht eingegangen am 28.03.2002, beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung seiner PKH-Gebühren, und zwar u. a. eine 5/10-Differenzgebühr nach § 32 Abs. 2 BRAGO sowie eine 15/10-Vergleichsgebühr aus einem Vergleichsmehrwert in Höhe von EUR 2.557,15.

Die Urkundsbeamtin setzte im angefochtenen Beschluss diese erwähnten Gebühren mit der Begründung ab, dass der PKH-Bewilligungsbeschluss nicht den Mehrvergleich vom 15.03.2002 erfasse, weil der Kläger insoweit keinen – auch nicht stillschweigenden – Antrag gestellt habe.

Mit Schriftsatz vom 24.07.2002 legte der Beschwerdeführer gegen den ihm bis dahin noch nicht zugegangenen Vergütungsfestsetzungsbeschluss Beschwerde ein.

Die Urkundsbeamtin half der Erinnerung mit Beschluss vom 02.08.2002 nicht ab und legte sie dem Kammervorsitzenden vor.

Der Kammervorsitzende half mit begründetem Beschluss vom 04.09.2002 der Erinnerung nicht ab und versah diesen Beschluss mit einer Rechtsmittelbelehrung, wonach gegen ihn das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zulässig sei.

Gegen den am 13.09.2002 zugestellten Beschluss legte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 23.09.2002, der am gleichen Tag beim Arbeitsgericht einging, Beschwerde ein.

Der Kammervorsitzende half der Beschwerde mit Verfügung vom 26.09.2002 nicht ab und legte sie dem Beschwerdegericht vor.

 

Entscheidungsgründe

II

Die nach § 128 Abs. 4 BRAGO statthafte und zulässig eingelegte Beschwerde ist begründet, weil das Arbeitsgericht zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die PKH-Bewilligung den Mehrwert des Vergleichs nicht umfasse. Auf die Beschwerde ist der angefochtene Vergütungsfestsetzungsbeschluss deshalb teilweise aufzuheben und der Urkundsbeamtin aufzugeben, eine neue Festsetzung der Vergütung nach Maßgabe dieser Beschwerdeentscheidung vorzunehmen.

1.

Verfahrensrechtlich ist anzumerken, dass der Tenor des Beschlusses vom 04.09.2002 und die ihm angefügte Rechtsmittelbelehrung nicht korrekt gefasst sind.

Gegen Erinnerungen des Rechtsanwaltes über Festsetzung im Rahmen des § 128 BRAGO hat der zuständige Richter bei Nichtabhilfe durch den Urkundsbeamten gem. § 188 Abs. 3 BRAGO abschließend zu entscheiden und nicht eine bloße Nichtabhilfeentscheidung mit anschließender Vorlage an das Beschwerdegericht zu treffen.

Gegen den begründeten Beschluss des Richters ist dann ggf. gem. § 128 Abs. 4 BRAGO das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben.

Der Kammervorsitzende hat vorliegend offensichtlich abschließend entscheiden wollen, die Tenorierung ist aber mißverständlich, weil in diesem Falle keine Nichtabhilfeentscheidung ergehen kon...

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