Das Wichtigste in Kürze:

1. Bei einem Teilfreispruch des Angeklagten ist zunächst zwischen einem echten/effektiven Teilfreispruch und einem unechten Teilfreispruch zu unterscheiden.
2. Bei beiden Arten des Teilfreispruchs kann die Ermittlung des Erstattungsbetrages nach der Differenztheorie oder gem. § 464d StPO durch eine Auslagenverteilung nach Bruchteilen erfolgen; welche Methode angewandt wird, steht im Ermessen des Rechtspflegers/Gerichts.
3. Bei der Ermittlung des Erstattungsbetrags nach der Differenztheorie wird von dem gesamten Wahlverteidigerhonorar das fiktive Honorar abgezogen, das in einem Verfahren nur wegen der letztlich zur Verurteilung führenden Taten entstanden wäre; eine etwaige Differenz bildet den Erstattungsbetrag.
4. Bei der Stellung des Kostenfestsetzungsantrags nach einem Teilfreispruch ist deshalb eine Abrechnung mit der Gesamtvergütung und eine Abrechnung mit der fiktiven Vergütung einzureichen.
5. Die Ermittlung des Erstattungsbetrages kann auch durch eine Verteilung der notwendigen Auslagen nach Bruchteilen gem. § 464d StPO erfolgen, die auch der Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren vornehmen kann.
6. Eine rein rechnerische Verteilung der notwendigen Auslagen nach der Anzahl der freigesprochenen und Verurteilten Fälle ist nicht sachgerecht.
7. Der Aufrechnung der Staatskasse mit Verfahrenskosten gegen den Anspruch auf Erstattung notwendiger Auslagen kann durch dessen Abtretung an den Verteidiger unter den in § 43 RVG genannten Voraussetzungen begegnet werden.
 

Rdn 189

 

Literaturhinweise:

Meyer, Zum Auslagenerstattungsanspruch des Verurteilten im Falle eines unechten Teilfreispruchs – Marginalien zur Anwendung des § 465 Abs. 2 StPO, JurBüro 1994, 518

Sommermeyer, Die Bestimmung der erstattungsfähigen Verteidigergebühren beim fiktiven und echten Teilfreispruch, MDR 1991, 931

Volpert, Die Kostenfestsetzung bei Freispruch oder Teilfreispruch des Mandanten – Teil 1: Das Verfahren, RVGreport 2007, 289

ders., Die Kostenfestsetzung bei Freispruch oder Teilfreispruch des Mandanten – Teil 2: Besonderheiten beim Teilfreispruch, RVGreport 2007, 444. s. i.Ü. die Hinw. bei den u.a. Stichwörtern und bei → Kostenfestsetzung gem. § 464b StPO, Allgemeines, Teil J Rdn 169;

 

Rdn 190

1.a) Wird der Angeklagte freigesprochen, fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten gem. § 467 Abs. 1 StPO der Staatskasse zur Last. Wird der Angeklagte verurteilt, ist es selbstverständlich, dass er seine notwendigen Auslagen zu tragen hat, sodass eine entsprechende Feststellung daher überflüssig ist (BGHSt 36, 27; Meyer-Goßner/Schmitt, § 464 Rn 10). Nicht selten kommt es jedoch vor, dass der Angeklagte nicht im vollen Umfang der zugelassenen Anklage verurteilt wird, weil ihm ein Teil der Vorwürfe nicht nachgewiesen werden kann oder ein Teil der Vorwürfe unbegründet ist.

 

Rdn 191

b) Es ist wie folgt zu unterscheiden:

Ein echter oder effektiver Teilfreispruch liegt vor, wenn mehrere Taten in Tatmehrheit (vgl. § 53 StGB) angeklagt wurden, die am Ende teilweise zu einer Verurteilung und teilweise zum Freispruch führten (OLG Koblenz StV 1998, 610; Meyer JurBüro 1994, 518). Die nach § 467 Abs. 1 StPO zu treffende Kostenentscheidung lautet dann wie folgt (vgl. OLG Düsseldorf Rpfleger 1996, 303):

Zitat

"Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, soweit er verurteilt worden ist; soweit er freigesprochen worden ist, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten."

Ein unechter Teilfreispruch liegt vor, wenn bei einem tateinheitlich (§ 52 StGB) zu behandelnden Vorwurf einzelne Teile nicht zu einer Verurteilung führen (OLG Hamm, Beschl. v. 17.4.2007 – 4 Ws 97/07; OLG Koblenz StV 1998, 610; Meyer JurBüro 1994, 518). Nach § 465 Abs. 2 StPO hat das Gericht, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird, die entstandenen notwendigen Auslagen (vgl. § 465 Abs. 2 Satz 3 StPO) teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 465 Rn 7).
 

Rdn 192

2. Sowohl beim echten als auch beim unechten Teilfreispruch kann die Ermittlung eines etwaigen Erstattungsbetrags im Kostenfestsetzungsverfahren gem. § 464b StPO sowohl nach der Differenztheorie als auch durch Quotelung gem. § 464d StPO erfolgen (vgl. KG StraFo 2009, 260; OLG Koblenz Beschl. v. 10.9.2007 – 1 Ws 191/07; LR-Hilger § 464d Rn 3, § 465 Rn 31, 40; Meyer-Goßner/Schmitt, § 464d Rn 2). Es steht nach h.M. im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts/Rechtspflegers, ob die Differenztheorie oder die Auslagenverteilung nach Bruchteilen gem. § 464d StPO angewandt wird (KG, a.a.O.; AGS 2012, 392; OLG Düsseldorf StV 2001, 634; OLG Hamm Rpfleger 1999, 436; OLG Karlsruhe NStZ 1998, 317; OLG Koblenz StV 1998, 610 und auch noch AGS 2000, 88; LR-Hilger, a.a.O.; a.A. LG Frankfurt NStZ-RR 1997, 191; LG Leipzig StV 2000, 435).

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