Das Wichtigste in Kürze:

1. Das Verfahren richtet sich nach §§ 415432 FamFG. Zuständig für den Antrag sind Ausländer- und Polizeibehörden. Der Antrag muss vollständig sein.
2. Der Haftbefehl wird in erster Instanz durch das örtlich zuständige AG erlassen. Gegen die Entscheidung des AG ist die Beschwerde zum LG möglich; danach die Rechtsbeschwerde zum BGH, vor dem Vertretungszwang durch einen BGH-Anwalt besteht.
3. Der Vollzug der Abschiebungshaft richtet sich bundesrechtlich nach § 62a AufenthG.
4. Die Abschiebungshaft ist getrennt von der Straf- und Untersuchungshaft zu vollziehen, kann aber in deren unmittelbarer Folge verhängt werden.
 

Rdn 136

 

Literaturhinweise:

Schmidt-Räntsch, Freiheitsentziehungssachen gem. §§ 415 ff. FamFG, NVwZ 2014, 110

s.a. die Hinw. bei → Ausländer, Abschiebungshaft, Allgemeines, Teil H Rdn 121 und bei → Ausländer, Allgemeines, Teil H Rdn 149.

 

Rdn 137

1.a) Das Verfahren zur Anordnung und Überprüfung von Abschiebungshaft richtet sich nach §§ 415 – 432 FamFG.

 

Rdn 138

b) Die Abschiebungshaft muss von der örtlich und sachlich zuständigen Behörde beantragt werden. Dies sind neben der Ausländerbehörde gem. § 71 Abs. 3 Nr. 1e AufenthG in bestimmten Fällen auch die Polizeibehörden der Länder, § 71 Abs. 5 AufenthG (insb. Durchführung von Abschiebungen) sowie die Bundespolizei bei Grenzbetroffenheit, § 71 Abs. 3 Nr. 1e AufenthG.

 

Rdn 139

Der Antrag ist gem. § 417 Abs. 2 FamFG zu begründen. Die Begründung muss folgenden Vortrag enthalten:

die Identität und den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen
die Erforderlichkeit und erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung,
die Ausreisepflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Aufenthaltsbeendigung.
 

☆ Außerdem soll die Behörde den Verwaltungsvorgang vorlegen.Verwaltungsvorgang vorlegen.

 

Rdn 140

c) Im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Ausländers, gegen den ein Strafverfahren anhängig ist, gehört zu den Voraussetzungen der Aufenthaltsbeendigung auch die Zustimmung der zuständigen StA gem. § 72 Abs. 4 S. 1 AufenthG zugestimmt hat (st. Rspr., z.B. BGH NVwZ 2010, 1574; weitere Nachweise bei Renner/Winkelmann, § 62 AufenthG Fn 279).

 

Rdn 141

2.a) Zuständig für die richterliche Anordnung der Freiheitsentziehung ist der Einzelrichter am örtlich zuständigem AG (§ 416 FamFG).

 

Rdn 142

Gegen die Entscheidung des AG kann Beschwerde zum LG erhoben werden, gegen dessen Entscheidung die Rechtsbeschwerde zum BGH in Zivilsachen möglich ist.

 

☆ Vor dem BGH besteht – wie in Zivilsachen üblich – Vertretungszwang durch einen am BGH zugelassenen Rechtsanwalt.Vertretungszwang durch einen am BGH zugelassenen Rechtsanwalt.

 

Rdn 143

b) Seit der Zuweisung der Rechtsbeschwerdeinstanz an den BGH stellte dieser immer wieder Rechtsverletzungen durch die Instanzgerichte fest. Hinzuweisen ist auf folgende

 

Rdn 144

 

Rechtsprechungsbeispiele:

Die formalen Anforderungen an einen Haftantrag sind erheblich und in der Vergangenheit oft vernachlässigt worden. Eine fehlende Unterschrift unter einem Haftantrag kann z.B. nicht ohne Weiteres nachgeholt werden. Vielmehr muss der Behördenvertreter in der Anhörung vor dem AG vertreten sein (BGH, Beschl. v. 9.2.2012 – V ZB 305/10).
Haftanträge enthielten oft nicht die von § 417 FamFG geforderten Angaben (BGH FGPrax 2011, 317). Damit eine richterliche Überprüfung stattfinden kann, müssten aber zumindest in knapper Form die wesentlichen Punkte dargelegt werden.
Der BGH fordert z.B., dass auch der Zielstaat der Abschiebung angegeben werden muss (BGH, Beschluss v. 6.10.2011 – V ZB 140/11).
Die Behörde muss außerdem den Haftantrag dem Betroffenen aushändigen, bevor das Amtsgericht darüber entscheidet (BGH FGPrax 2011, 257; Beschl. v. 19.9.2012 – V ZB 79/12).
 

Rdn 145

3. Der Vollzug der Abschiebungshaft richtet sich bundesrechtlich nach § 62a AufenthG, in dem vor allem das sog. Trennungsgebot niedergelegt ist, die Pflicht zur Trennung der Abschiebungshäftlinge von Untersuchungs- und Strafgefangenen (LG Leipzig, Beschl. v. 20.9.2011 – 07 T 104/11; LG Traunstein, Beschl. v. 21.8.2012 – 4 T 3104/12; LG Wiesbaden, Beschl. v. 26.6.2012 – 4 T 221/12, 4 T 222/12).

 

Rdn 146

Im Übrigen wird der Vollzug landesrechtlich geregelt, wobei nur Berlin, Brandenburg und Bremen eigene Vollzugsgesetze für die Abschiebungshaft erlassen haben. In den übrigen Bundesländern wird das Strafvollzugsrecht für analog anwendbar gehalten. Dies könnte im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Unanwendbarkeit von Strafvollzugsgesetzen im Bereich des Jugendvollzuges (BVerfG NJW 2006, 2093) problematisch sein. Eine konkrete Entscheidung hierzu steht aber aus.

 

Rdn 147

4. Abschiebungshaft kann auch im Anschluss an die U-Haft oder Strafhaft oder auch bereits parallel dazu Überhaft angeordnet werden, auch im Fall einer vorzeitigen Entlassung auf Bewährung.

 

☆ Da die formalen Anforderungen an den Antrag recht hoch sind, sollte unbedingt Beschwerde gegen einen Über- oder Anschlusshaftbefehl eingelegt werden. Insbesondere, wenn der Inh...

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