Das Wichtigste in Kürze:

1. Das Strafverfahrensrecht kennt drei Ermittlungsmethoden des automatisierten Massendatenabgleichs, nämlich die Rasterfahndung (§ 98a f. StPO), den Datenabgleich (§ 98c StPO) und die Schleppnetzfahndung (§ 163d StPO).
2. Der Massendatenabgleich justizexterner Daten zur Verfolgung bestimmter und erheblicher Straftaten ist unter engeren Voraussetzungen im Rahmen der Rasterfahndung möglich.
3. Der einfache Abgleich justizinterner Daten gem. § 98c StPO ist nicht an strenge Voraussetzungen gebunden und zur Verfolgung jeder Straftat zulässig.
4. Bei der Schleppnetzfahndung nach § 163d StPO handelt es sich ebenfalls um eine Eingriffsnorm zum Massendatenabgleich, um Kurzzeitdateien zum Abgleich von Personenkontrollen an der Landesgrenze und Kontrollen gem. § 111 StPO, also Kontrollstellen an öffentlichen Plätzen bei Verdacht schwerer staatsgefährdender Straftaten, durchführen zu können.
 

Rdn 26

 

Literaturhinweise:

Baumann, Einige Gedanken zu § 163d StPO und seinem Umfeld, StV 1986, 494

Becker/Ambrock, Datenschutz in den Polizeigesetzen, JA 2011, 561

Hilger, Neues Strafverfahrensrecht durch das OrgKG – 1. Teil –, NStZ 1992, 457

Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes – Eingriffsbefugnisse und Regelungsdefizite, NJW 2013, 2572

Krehl, Die Umsetzung des Volkszählungsurteils 1983: Ist die Übergangsfrist für den Gesetzgeber abgelaufen?, NJW 1995, 1072

Rogall, Frontalangriff auf Bürgerrechte oder notwendige Strafverfolgungsmaßnahme? – Zur Regelung der sog. Schleppnetzfahndung in § 163d StPO –, NStZ 1986, 385

Thommes, Verdeckte Ermittler im Strafprozeß aus der Sicht des Datenschutzes, StV 1997, 657

s.a. die Hinweise bei Burhoff, EV, Rn 1255, Rn 3191 u. Rn 2697.

 

Rdn 27

1.a) Das Strafverfahrensrecht kennt Möglichkeiten, die Massendatenverarbeitung zu nutzen, um personenbezogene Daten großer Personengruppen abzugleichen, um einerseits Täter zu ermitteln (mithilfe der sogenannten positiven Rasterfahndung), aber auch um Nichtverdächtige auszuschließen (mithilfe der sogenannten negativen Rasterfahndung). Zu diesen Ermittlungsmethoden, die den Vergleich von personenbezogenen Daten ermöglichen, zählen

die Rasterfahndung gem. § 98a f. StPO (Rdn 29 ff.),
der Datenabgleich gem. § 98c StPO (Rdn 37 ff.) und
die Schleppnetzfahndung gem. § 163d StPO (Rdn 41 ff.).
 

Rdn 28

b) Es handelt sich bei diesen Ermittlungsmaßnahmen um sogenannte verdeckte Fahndungsmethoden, also solche die der jeweils Betroffene im Zeitpunkt ihrer Vollstreckung nicht bemerkt. Die o.g. Regelungen gehen auf das sogenannte Volkszählungsurteil des BVerfG (E 65, 1 ff.) zurück und wurden implementiert, um die Voraussetzungen und den Umfang des Eingriffs dieser bereits zuvor praktizierten Ermittlungsmethoden für den Bürger transparenter zu gestalten (vgl. Krehl NJW 1995, 1072, 1073; SSW-StPO/Jäger, Vor §§ 98a – 98c Rn 2).

 

Rdn 29

2.a) Die Rasterfahndung gem. § 98a StPO, die vom BKA entwickelt und insbesondere im Rahmen der Bekämpfung von terroristischen Anschlägen der RAF in den 70er Jahren Bedeutung hatte, wird heute in EV kaum mehr angewandt (vgl. SSW-StPO/Jäger, Vor §§ 98a – 98c Rn 3; Thommes StV 1997, 657, 664; zur Rasterfahndung Burhoff, EV, Rn 3190 f.), während ihr präventiv-polizeilich gem. § 20j BKAG, dem G10-Gesetz oder nach entsprechenden Eingriffsermächtigungen der Polizeigesetze immer noch große Bedeutung zukommt (vgl. BVerfGE 115, 320 ff. = NJW 2006, 1939 ff.; hierzu auch Huber NJW 2013, 2572 ff.; Thommes StV 1997, 657, 664). Allgemein gilt, dass die präventiv-polizeiliche Rasterfahndung gem. § 20j Abs. 1 BKAG, nach den Polizeigesetzen der Länder (vgl. Becker/Ambrock JA 2011, 561, 565) oder auf Antrag des Bundesnachrichtendienstes nach § 5 G10 zur Abwehr von Gefahren für den Bestand oder die Sicherheit des Staates oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder Sachen von bedeutendem Wert zulässig ist (vgl. MünchKomm-StPO/Günther, § 98a Rn 11; Huber NJW 2013, 2572, 2573).

 

☆ Entsteht während der präventiv-polizeilichen Rasterfahndung der Anfangsverdacht einer Straftat, ist die strafverfahrensrechtliche Datenverwendung nur zulässig, wenn die Fortführung der Rasterfahndung auch nach den Regelungen der StPO zulässig wäre (BGH NJW 2001, 2981).präventiv-polizeilichen Rasterfahndung der Anfangsverdacht einer Straftat, ist die strafverfahrensrechtliche Datenverwendung nur zulässig, wenn die Fortführung der Rasterfahndung auch nach den Regelungen der StPO zulässig wäre (BGH NJW 2001, 2981).

 

Rdn 30

b) Die Rasterfahndung erfolgt in mehreren Schritten, um Personen aus elektronisch gespeicherten Datenbeständen herauszufiltern, die in ein zuvor festgelegtes Raster fallen, also bestimmte Prüfungsmerkmale erfüllen (vgl. KK-Greven, § 98a Rn 2; MünchKomm-StPO/Günther, § 98a Rn 42 ff.). Bei Festlegung des Rasters können entweder die Prüfungsmerkmale verwendet werden, die voraussichtlich auf den oder die Täter zutreffen (Positivraster) oder aber diejenigen die voraussichtlich gerade nicht für den oder die Täter zutreffen (Neg...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge