Das Wichtigste in Kürze:

1. Grds. wird eine neben einer Freiheitsstrafe angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) und in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) vor der Strafe vollzogen (§ 67 Abs. 1 StGB).
2. Die Ausnahme zur Regel bildet der (teilweise) Vorwegvollzug der Strafe, der vom Tatgericht in dem Urteil, mit dem neben der Unterbringung eine Freiheitsstrafe verhängt wird, oder auch vom Gericht nachträglich (§ 67 Abs. 3 StGB) angeordnet werden kann.
3. Der Vorwegvollzug ist anzuordnen, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird (§ 67 Abs. 2 S. 1 StGB).
4. Der Vorwegvollzug der Strafe soll angeordnet werden, wenn der Angeklagte neben der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu einer Freiheitsstrafe von über drei Jahren verurteilt wird (§ 67 Abs. 2 S. 2 StGB).
5. Der Vorwegvollzug soll angeordnet werden, wenn der Verurteilte vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird (§ 67 Abs. 2 S. 4 StGB).
6. Auf eine veränderte Sachlage kann das Gericht reagieren und die Vollstreckungsreihenfolge nach § 67 Abs. 3 StGB (nachträglich) abändern.
7. Hat das Gericht gem. § 67 Abs. 2 StGB den teilweisen Vorwegvollzug der Strafe angeordnet, sieht das Gesetz in § 67c Abs. 1 StGB eine weitere Prüfpflicht vor.
8. § 67c Abs. 2 StGB sieht zudem eine Prüfpflicht für den Fall, vor, dass der Vollzug der Unterbringung drei Jahre nach Rechtskraft ihrer Anordnung noch nicht begonnen hat.
 

Rdn 1141

 

Literaturhinweise:

Jung, Die Reihenfolge der Vollstreckung von Strafe und Maßregel bei Ausländern, StV 2009, 212

Müller-Dietz, Rechtsfragen der Unterbringung nach § 63 StGB, NStZ 1983, 145

Zeitler, Vollstreckungsreihenfolge bei Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln, RPfleger 2011, 10s.a. die Hinweise bei → Maßregeln, Erwachsene, Allgemeines, Teil B Rdn 959 m.w.N.

 

Rdn 1142

1.a) Wird eine freiheitsentziehende Maßregel neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, stellt sich die Frage, in welcher Reihenfolge diese vollstreckt werden sollen, um eine optimale Wirkung beider Sanktionen zu erzielen. Das Gesetz sieht in § 67 StGB folgende Regelung vor: Grds. wird eine neben einer Freiheitsstrafe angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) und in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) vor der Strafe vollzogen (§ 67 Abs. 1 StGB). Diese Maßregeln sind in besonderer Weise auf die Besserung des Täters ausgerichtet und der Täter soll zwecks Resozialisierung so bald wie möglich der seiner Eigenart Rechnung tragenden besonderen Behandlung zugeführt werden (BT-Drucks V/4095 S. 31).

 

Rdn 1143

b) § 67 StGB findet Anwendung, wenn die Freiheitsstrafe und die Unterbringung nebeneinander in einem Urteil angeordnet werden. Die Vorschrift findet auch Anwendung, wenn wegen Eintritts einer Zäsurwirkung einer früheren Verurteilung mehrere (Gesamt-) Strafen zu verhängen sind: Dann gilt § 67 StGB für sämtliche Strafen (BGH NStZ-RR 2010, 307). Die Vollstreckungsreihenfolge des § 67 Abs. 1 StGB gilt auch im Fall des Widerrufs einer Straf- und Maßregelaussetzung. Die Unterbringung in einer Einrichtung des Maßregelvollzugs muss unverzüglich erfolgen und der Verurteilte in beschleunigter Weise in geeignete Einrichtungen überstellt werden. Ansonsten liegt eine gesetzwidrige Umkehrung der Vollstreckungsreihenfolge vor (BVerfG NJW 2006, 427). Als Ausnahme hierzu kann das Gericht nach § 67 Abs. 2 StGB auch den (teilweisen) Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe anordnen, soweit die Voraussetzungen hierfür vorliegen (→ Maßregeln, Erwachsene, Organisationshaft, Teil B Rdn 1083).

 

Rdn 1144

c) Beim Zusammentreffen von Freiheitsstrafe mit Unterbringungsanordnungen in verschiedenen Verfahren bestimmt die Vollstreckungsbehörde die Reihenfolge der Vollstreckung (§ 44b Abs. 2 StVollstrO; Fischer, § 67 Rn 3): Ein Abweichen von der Regel des § 44b StVollstrO – "Maßregel vor Strafe" – ist dann gerechtfertigt, wenn durch den Vorwegvollzug der Strafe der Zweck der Maßregel leichter erreichbar ist, d.h. die Rehabilitation gefördert wird (OLG Hamm NStZ 1999, 535; OLG Stuttgart NStZ 1989, 344). § 44b StVollstrO, der über § 50 Abs. 1 StVollstrO auch für Ersatzfreiheitsstrafen gilt, sieht ausdrücklich vor, dass eine Freiheitsstrafe vor der Maßregel vollzogen werden kann, sofern der Zweck der Maßregel durch den vorherigen Vollzug der Freiheitsstrafe leichter erreicht wird (OLG Hamm NStZ-RR 2014, 358). Im Hinblick darauf kann die Anordnung der Staatsanwaltschaft, vor der Vollstreckung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zunächst eine Ersatzfreiheitsstrafe zu vollstrecken, nicht zu beanstanden sein, wenn dies damit begründet wird, der Verurteilte werde stärker motiviert, an der Behebung seiner langjährigen Suchterkrankung mitzuwirken, sofern er nach (erfolgreichem) Abschluss der Therapie in die Freiheit entlassen werden kann.

 

Rdn 1145

2.a) Die Ausnahme zur Regel, dass ...

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