Das Wichtigste in Kürze:

1. Bei der Sicherungsverwahrung ist zu unterscheiden, ob es sich zum Tatzeitpunkt um einen Jugendlichen oder Heranwachsenden handelt, auf den Jugendstrafrecht angewendet wurde (§ 7 JGG) oder um einen Heranwachsenden, der nach allgemeinem Recht verurteilt wurde (§ 106 JGG).
2. Gegen Jugendliche oder Heranwachsende gilt das Verbot der Anordnung originärer Sicherungsverwahrung.
3. Zulässig ist jedoch die vorbehaltene Sicherungsverwahrung gem. § 7 Abs. 2 JGG n.F.
4. Zum 1.6.2013 wurde die nachträgliche Sicherungsverwahrung neben der Strafe im Rahmen der Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Gesetzgebung nach einer Beschwerdeentscheidung des EMGR sowohl für Jugendliche als auch Heranwachsende durch das Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots vom 5.12.2013 abgeschafft. Als Ausnahme existiert jedoch die nachträgliche Sicherungsverwahrung weiterhin, wenn eine Unterbringung nach § 63 StGB für erledigt erklärt wurde. Für Heranwachsende, die nach allgemeinem Strafrecht beurteilt wurden, regelt dies § 106 Abs. 7 JGG, bei nach Jugendstrafrecht Beurteilte § 7 Abs. 4 JGG.
5. Die regelmäßige Überprüfungsfrist nach § 67e StGB beträgt sechs Monate.
6. Die Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und die Zuständigkeit hierfür richtet sich nach den Vorschriften der StPO, wenn der Betroffene das 21. Lebensjahr vollendet hat (§ 82 Abs. 3 JGG).
7. Für den Vollzug von Sicherungsverwahrung gegen die nach allgemeinem Strafrecht Verurteilten gelten auch die allgemeinen Vorschriften.
 

Rdn 878

 

Literaturhinweise:

Bartsch, Eine verpasste Chance?! Zur Reform der Vorschriften über die Sicherungsverwahrung, JGG, ZJJ 2013, 182

Brettel, Anmerkung zu BGH Urt. v. 12.6.2013, StV 2013, 768

Guérdion/Suhling, Sozialtherapie im Jugendstrafvollzug: Was ist das, was soll das und was bringt das?, ZJJ 2015, 130

Renzikowski, Abstand halten! – Die Neuregelung der Sicherungsverwahrung, NJW 2013, 1638

Wüstenhagen, Sicherungsverwahrung gegen Heranwachsende und Jugendliche, 2008

s.a. die Hinweise bei → Sicherungsverwahrung, Allgemeines, Teil A Rdn 537 m.w.N., bei → Jugendliche, Vollstreckung, Allgemeines, Teil B Rdn 724 m.w.N. und bei → Maßregeln, Erwachsene, Allgemeines, Teil B Rdn 959 m.w.N.

 

Rdn 879

1. Bei der Sicherungsverwahrung ist zu unterscheiden, ob es sich zum Tatzeitpunkt um einen Jugendlichen oder Heranwachsenden handelt, auf den Jugendstrafrecht angewendet wurde (§ 7 JGG) oder um einen Heranwachsenden, der nach allgemeinem Recht verurteilt wurde (§ 106 JGG; zum Erwachsenen → Sicherungsverwahrung, Allgemeines, Teil A Rdn 537 m.w.N.; → Maßregeln, Erwachsene, Allgemeines, Teil B Rdn 958 m.w.N.).

 

Rdn 880

2. Gegen Jugendliche oder Heranwachsende (unabhängig davon, ob sie nach Jugendrecht oder allgemeinem Recht verurteilt wurden) gilt das Verbot der Anordnung originärer Sicherungsverwahrung.

 

Rdn 881

3.a) Zulässig ist jedoch die vorbehaltene Sicherungsverwahrung gem. § 7 Abs. 2 JGG n.F. (seit 1.6.2013; bei nach Jugendstrafrecht Verurteilten) bzw. § 106 Abs. 3, 4 JGG (bei nach allgemeinem Strafrecht verurteilten Heranwachsenden).

 

☆ Die Realisierung des Vorbehalts richtet sich nach § 7 Abs. 2 S. 2 JGG bzw. § 106 Abs. 6 JGG.Realisierung des Vorbehalts richtet sich nach § 7 Abs. 2 S. 2 JGG bzw. § 106 Abs. 6 JGG.

 

Rdn 882

Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn

die Gesamtwürdigung des Verurteilten
seiner Tat oder seiner Taten und
ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung

ergibt, dass von ihm Straftaten folgender Art zu erwarten sind:

Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
Verbrechen nach § 251 StGB, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 StGB, durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist oder
Vergehen nach § 176 StGB (nur bei Heranwachsenden, die nach allgemeinem Strafrecht verurteilt wurden! Bezugnahme fehlt in § 7 Abs. 2 JGG).
 

Rdn 883

Die Realisierung des Vorbehalts kann bis zum Ende der Strafvollstreckung durch eine weitere Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs vor dem Zeitpunkt der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe erfolgen (§ 106 Abs. 6 JGG a.E. i.V.m. § 66a Abs. 3 S. 1 StGB bzw. § 7 Abs. 2 S. 2 JGG a.E. i.V.m. § 66a Abs. 3 S. 1 StGB).

 

Rdn 884

Bei nach Jugendstrafrecht Verurteilten gilt § 67c Abs. 1 StGB (Prüfung, ob die Unterbringung auszusetzen ist, weil geeignete Betreuung fehlte) entsprechend (§ 7 Abs. 2 S. 3 JGG).

 

Rdn 885

b) Voraussetzung für die spätere Anordnung ist eine Gefährlichkeitsprognose (→ Sicherungsverwahrung, Gefahrenprognose, Teil A Rdn 551 ff.). Ein Unterschied zu § 66a Abs. 3 S. 2 StGB besteht darin, dass die Erwartung "erheblicher Straftaten" nicht ausreicht, sondern sich die Prognose auf die in §§ 7, 106 JGG genannten Taten beziehen muss (Eisenberg, JGG, § 106 Rn 26a). Hierfür sind zum einen die Entwicklung des Verurteilten im Vollzug als auch eine aktuelle Gesam...

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