Das Wichtigste in Kürze:

1. Ausländische strafrechtliche Urteile (Erkenntnisse) können in Deutschland vollstreckt werden.
2. Erforderlich ist grundsätzlich eine gerichtliche Entscheidung, die die Vollstreckbarkeit der Sanktion feststellt, das sog. Exequaturverfahren.
3. Bestehen keine völkerrechtlichen Bindungen, werden die im für vollstreckbar erklärten ausländischen Erkenntnis verhängten Sanktionen nach Maßgabe der §§ 54, 54a IRG in Sanktionen nach deutschem Recht umgewandelt.
4. Aufgrund der intensiven Einbindung Deutschlands in multilaterale zwischenstaatliche Beziehungen sind von erheblicher praktischer Relevanz die Konstellationen, in denen internationale Verträge bestehen. Von besonderer Bedeutung sind das ÜberstÜbk und die Mitgliedschaft in der EU.
5. Besondere Regelungen gelten für die Vollstreckung von Erkenntnissen aus EU-Staaten gem. §§ 84 ff. IRG.
6. Die Vollstreckung der Sanktionen erfolgt nach Maßgabe des § 57 IRG und der zulässigen Bedingungen des Urteilsstaates durch die StA.
 

Rdn 680

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Internationale Vollstreckung, Allgemeines, Teil B Rdn 674.

 

Rdn 681

1. Die internationale Rechtshilfe in Strafsachen beinhaltet auch die Möglichkeit der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Deutschland. Es wird begrifflich von "Erkenntnissen" gesprochen, weil nicht allein Verurteilungen durch Strafgerichte, sondern auch Einziehung und Verfall betroffen sind, wenn diese zwar nicht von Strafgerichten verhängt, aber auf einer strafrechtlichen Verurteilung beruhen (§ 48 S. 2 IRG).

 

Rdn 682

Grds. sind auch bei der Vollstreckung ausländischer Erkenntnisse im Inland die verschiedenen völkerrechtlichen Konstellationen zu beachten, ob also die Bundesrepublik mit dem Urteilsstaat vertraglich verbunden ist oder dieser sogar der EU angehört. Das Verfahren richtet sich im Wesentlichen nach den Vorschriften der §§ 48 ff. IRG.

 

Rdn 683

2.a) Die Vollstreckung ausländischer Erkenntnisse in Deutschland setzt zunächst in jeder Konstellation eine gerichtliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Vollstreckung in Gestalt der Vollstreckbarerklärung, die Durchführung des sog. Exequaturverfahrens, voraus.

 

Rdn 684

Diese Entscheidung ist gem. §§ 50, 51 IRG regelmäßig dem LG am (letzten) Wohnsitz des Verurteilten, hilfsweise am Sitz der Bundesregierung, zugewiesen und ergeht gem. § 55 Abs. 1 IRG durch Beschluss.

Gegen den Beschluss kann gem. § 55 Abs. 2 IRG sofortige Beschwerde eingelegt werden (zur sofortigen Beschwerde Burhoff, EV, Rn 3366; Burhoff/Kotz/Kotz, RM, Teil A Rn 612 ff.).

 

Rdn 685

c) Der Verurteilte sowie betroffene Dritte mit eigenen Rechten im Verfahren können sich gem. § 53 Abs. 1 IRG eines Beistandes bedienen, der in den Fällen des Abs. 2 zu bestellen ist. Die Vorschriften für die Pflichtverteidigung nach der StPO gelten nach Maßgabe des Abs. 3 entsprechend.

 

Rdn 686

b) Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Vollstreckung sind gem. § 49 IRG insbesondere:

ein vollständiges rechtskräftiges und grundsätzlich vollstreckbares Erkenntnis, das in einem der EMRK entsprechenden Verfahren ergangen ist,
Strafbarkeit, Maßregeleignung oder Nebenfolgenfähigkeit der Handlung nach deutschem Recht,
keine Verjährung nach deutschem Recht (mit Ausnahmen für Einziehung und Verfall),
bei Freiheitsstrafen gegen einen im Urteilsstaat befindlichen Verurteilten dessen Zustimmung vor einem Richter oder ermächtigten Konsularbeamten,
Kongruenz der nach deutschem Recht vorgesehenen Sanktionen mit dem ausländischen Urteil.
 

Rdn 687

3. Bestehen keine völkerrechtlichen Bindungen, werden die im für vollstreckbar erklärten ausländischen Erkenntnis verhängten Sanktionen nach Maßgabe der §§ 54, 54a IRG in Sanktionen nach deutschem Recht umgewandelt, wobei das nach deutschem Recht für die Tat zulässige Höchstmaß zu beachten ist, § 54 Abs. 1 IRG. Die bereits vollstreckten Anteile sind gem. § 54 Abs. 4 IRG anzurechnen.

 

Rdn 688

4.a) Aufgrund der intensiven Einbindung Deutschlands in multilaterale zwischenstaatliche Beziehungen sind von erheblicher praktischer Relevanz die Konstellationen, in denen internationale Verträge bestehen. Von besonderer Bedeutung sind das ÜberstÜbk und die Mitgliedschaft in der EU, die daher näher dargestellt werden sollen.

 

Rdn 689

b)aa) Art. 3 Abs. 1 ÜberstÜbk bestimmt die Überstellungsvoraussetzungen (→ Internationale Vollstreckung, Vollstreckung im Ausland, Teil B Rdn 702) wie folgt:

Die verurteilte Person muss Staatsangehöriger des ersuchten Staates sein.
Das Urteil muss rechtskräftig sein.
Zum Zeitpunkt des Ersuchens müssen noch mindestens 6 Monate zu verbüßen oder die Sanktion muss "von unbestimmter Dauer" sein.
Die zu überstellende Person oder ihr gesetzlicher Vertreter müssen der Überstellung zustimmen.
 

☆ Hierzu findet eine Anhörung vor dem für die JVA zuständigen AG statt, weil gem. § 2 ÜAG ist die Zustimmung des Verurteilten (Art. 3 Abs. 1d ÜberstÜbk) nach Belehrung zu Protokoll vor einem Richter zu erklären ist.Anhörung vor dem für die JVA zuständigen AG statt, weil gem....

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