Das Wichtigste in Kürze:

1. Sämtliche Regeln des Führungsaufsichtsrechts finden auch im Jugendstrafrecht Anwendung, wobei jedoch dem im Jugendstrafrecht vorherrschenden Erziehungsgedanken im Rahmen der Verhältnismäßigkeit besonders Rechnung zu tragen ist.
2. Im Fall der Vollverbüßung genügt für die Anordnung der Führungsaufsicht eine Einheitsjugendstrafe von einem bzw. zwei Jahren.
3. Zuständig für Vollstreckungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Führungsaufsicht ist grundsätzlich der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter.
 

Rdn 555

 

Literaturhinweise:

Baur/Groß, Die Führungsaufsicht, JuS 2010, 404

Fiebrandt, Führungsaufsicht kraft Gesetzes nach vollständiger Verbüßung von Jugendstrafe, ZJJ 2008, 278

Herrmann, Die Führungsaufsicht, StRR 2013, 408

Pollähne, Führungsaufsicht nach Vollverbüßung einer Jugendstrafe?, ZJJ 2008, 4

Sommerfeld, Führungsaufsicht nach vollständiger Vollstreckung einer Einheitsjugendstrafe – Zugleich eine Besprechung von BVerfG, Beschl. v. 26.2.2008 – 2 BvR 2143/07, NStZ 2009, 247

s.a. die Hinw. bei → Führungsaufsicht, Allgemeines, Teil B Rdn 482.

 

Rdn 556

1.a) Sämtliche Regeln des Führungsaufsichtsrechts finden auch im Jugendstrafrecht Anwendung. So normiert § 7 Abs. 1 JGG, dass als Maßregeln der Besserung im Sinne des allgemeinen Strafrechts u.a. die Führungsaufsicht angeordnet werden kann. Vor diesem Hintergrund ist die gerichtliche Anordnung nach § 68 Abs. 1 StGB sowie die kraft Gesetzes eintretende Führungsaufsicht, insbesondere nach Entlassung aus der psychiatrischen Klinik oder der Entziehungsanstalt, auch bei Jugendlichen und Heranwachsenden möglich, zumal § 7 JGG die §§ 67b Abs. 2, 67c, 67d Abs. 2 bis Abs. 6 und § 68f StGB unberührt lässt (vgl. Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, § 68 Rn 15; MüKo-StGB/Altenhain/Laue, § 7 JGG Rn 17). Die Vorschriften über Eintritt, Beendigung, Ruhen sowie Dauer der Führungsaufsicht gelten ebenfalls für Jugendliche und Heranwachsende; insofern bestehen keine Besonderheiten.

 

Rdn 557

b) Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 JGG bezieht sich trotz seines missverständlichen Wortlauts ("angeordnet werden") nicht ausschließlich auf die richterliche Anordnung nach § 7 Abs. 1 JGG, sondern umfassend auf § 61 Nr. 4 StGB (vgl. BVerfG NStZ-RR 2008, 217 f.; LG Berlin NStZ 2009, 46, 47; Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, § 68 Rn 15). Daher kann auch nach Vollverbüßung einer Einheitsjugendstrafe Führungsaufsichteintreten.

 

Rdn 558

c) Sofern in § 7 Abs. 1 JGG weiter davon die Rede ist, dass Maßregeln angeordnet werden "können", dient dies lediglich der Klarstellung, dass nur diese Maßregeln angeordnet werden dürfen (so MüKo-StGB/Altenhain/Laue, § 7 JGG Rn 7). Ob im Einzelfall eine Maßregel zu verhängen ist, bestimmt sich also gem. § 7 Abs. 1 JGG ausschließlich nach den Regeln des allgemeinen Strafrechts. Ein Ermessen kommt dem Gericht nur dort zu, wo es im allgemeinen Strafrecht vorgesehen ist. Soweit also kein Ermessen besteht, erlaubt auch § 7 JGG dem Richter nicht, von der Anordnung von Maßregeln und damit von der Führungsaufsicht abzusehen, obwohl deren im StGB genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Gleichwohl ist im Jugendstrafverfahren besonders eingehend und sorgfältig zu prüfen, ob diese Maßregeln erforderlich sind oder eine weniger einschneidende Maßnahme ausreicht. Dies folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (MüKo-StGB/Altenhain/Laue, § 7 JGG Rn 8) sowie aus dem im Jugendstrafrecht vorherrschenden und an den Zielen von Schutz, Förderung und Integration des Jugendlichen ausgerichteten Erziehungsgedanken (vgl. BVerfG NStZ-RR 2008, 217, 218; LG Berlin NStZ 2010, 286; Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, § 68 Rn 15). Das jugendliche Alter des Täters und seine spezifische Lebenssituation wirken sich insbesondere bei Prognoseentscheidungen im Rahmen der Ausgestaltung der Führungsaufsicht aus (vgl. BVerfG NStZ-RR 2008, 217, 218; LG Berlin NStZ 2010, 286). Insbesondere sollte eine Gefährlichkeitsprognose zurückhaltend ausfallen, weil aufgrund der kurzen Biografie Voraussagen über zukünftige Entwicklung des Jugendlichen weniger valide sind (MüKo-StGB/Altenhain/Laue, § 7 JGG Rn 8). So ist etwa bei einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe zu prüfen, ob nicht schon durch die Unterstellung unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers (§ 24 JGG) und durch Weisungen (§ 23 JGG) der Gefahr weiterer Straftaten wirksam begegnet werden kann (vgl. LG Berlin NStZ 2010, 286). Auch soweit Jugendstrafen nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, ist zu prüfen, ob statt der Führungsaufsicht etwa die Weisung ausreicht, sich der Betreuung oder Aufsicht einer bestimmten Person zu unterstellen (§ 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 JGG; so MüKo-StGB/Altenhain/Laue, § 7 JGG Rn 18).

 

Rdn 559

2. Soweit die Führungsaufsicht von der Verwirklichung einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten abhängig ist (§ 68 Abs. 1 StGB), können auch entsprechende Jugendstrafen diese Voraussetzung erfüllen. Hinsichtlich der Voraussetzungen der Vollverbüßung eines mindestens zweijährigen Freiheitsentzugs wegen vorsätzlicher S...

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