Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Zurückstellung der Vollstreckung nach § 35 BtMG setzt einen Antrag des Verurteilten voraus.
2. Die Strafvollstreckung kann nur zurückgestellt werden, wenn die zurückzustellende Verurteilung rechtskräftig ist.
3. Eine Zurückstellung kommt in Betracht, wenn die zu vollstreckende Freiheit-oder Jugendstrafe oder der Strafrest nicht mehr als zwei Jahre betragen.
4. Zurückstellungsfähig sind nur Strafen, die der Täter aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat.
5. Gem. § 35 Abs. 1 BtMG muss der Verurteilte sich entweder bereits in Behandlung befinden oder seine Therapiebereitschaft bekunden.
6. Der Behandlungsbeginn, d.h. verbindliche Therapieplatzzusage und fester Aufnahmetermin einer Therapieeinrichtung und verbindliche Kostenzusage eines Kostenträgers, muss gewährleistet sein.
7. Weitere zwingende Voraussetzung vor der Entscheidung der Vollstreckungsbehörde ist die Zustimmung des Gerichtes des ersten Rechtszuges.
 

Rdn 125

 

Literaturhinweise:

s. die Hinweise bei → BtM-Verfahren, Zurückstellung, Allgemeines, Teil B Rdn 92.

 

Rdn 126

1. Die Zurückstellung der Vollstreckung nach § 35 BtMG setzt einen Antrag des Verurteilten voraus, eine Prüfung von Amts wegen, ob die Strafvollstreckung zurückgestellt werden kann, findet nicht statt. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 35 BtMG, aber aus dem Inhalt der materiellen Voraussetzungen der Zurückstellung, namentlich der Zusage des Verurteilten, sich einer Therapie unterziehen zu wollen (MüKo-StGB/Kornprobst, § 35 BtMG Rn 110). Es obliegt deshalb dem Verurteilten, der Vollstreckungsbehörde die in seiner Sphäre liegenden materiellen Voraussetzungen einer Zurückstellung darzulegen. Der Zurückstellungsantrag bedarf keiner besonderen Form, es empfiehlt sich jedoch, den Antrag schriftlich bei der Vollstreckungsbehörde einzureichen oder – sofern die Voraussetzungen bereits vorliegen – schon in der HV zu Protokoll des Gerichts zu erklären.

 

☆ Die Erklärung des Antrages unmittelbar zu Protokoll in der HV kann sich etwa bei einem unmittelbar bevorstehenden Aufnahmetermin in die Therapieeinrichtung und allseitigem Rechtsmittelverzicht anbieten. Dann kann mit Zustimmung des Gerichtes die Zurückstellung sofort nach der Urteilsverkündung erfolgen (vgl. Weber , § 35 Rn 4; MüKo-StGB/ Kornprobst , § 35 BtMG Rn 24).Protokoll in der HV kann sich etwa bei einem unmittelbar bevorstehenden Aufnahmetermin in die Therapieeinrichtung und allseitigem Rechtsmittelverzicht anbieten. Dann kann mit Zustimmung des Gerichtes die Zurückstellung sofort nach der Urteilsverkündung erfolgen (vgl. Weber, § 35 Rn 4; MüKo-StGB/Kornprobst, § 35 BtMG Rn 24).

 

Rdn 127

2. Die Strafvollstreckung kann nur zurückgestellt werden, wenn sie ohne die Zurückstellung zulässig wäre, so dass die zurückzustellende Verurteilung rechtskräftig sein muss (§§ 449, 410 Abs. 3 StPO). Nicht erforderlich ist hingegen, dass das Urteil bereits schriftlich vorliegt. Ein vor Rechtskraft gestellter Antrag ist nicht unzulässig, es fehlt ihm dann aber an einer materiellen Voraussetzung der Zurückstellung. Ob die Vollstreckungsbehörde aufgrund eines solchen, nur vorübergehenden Zurückstellungshindernisses den Antrag ablehnt oder mit ihrer Entscheidung bis zum Wegfall des Hindernisses abwartet, hängt von den Umständen des Einzelfalles und von der insoweit uneinheitlichen Praxis der Vollstreckungsbehörden ab (vgl. MüKo-StGB/Kornprobst, § 35 BtMG Rn 111). Muss ein Antrag aus zeitlichen Gründen frühzeitig gestellt werden, um einen geplanten Aufnahmetermin in einer Therapieeinrichtung zu halten, empfiehlt es sich deshalb für den Verteidiger, auf diesen Umstand gesondert hinzuweisen und/oder gegebenenfalls telefonischen Kontakt mit der Vollstreckungsbehörde aufzunehmen oder – sofern verteidigungstaktisch möglich – gleichzeitig mit dem Antrag das bereits eingelegte Rechtsmittel zurückzunehmen. Sollte der Antrag gleichwohl einmal wegen fehlender Rechtskraft abgelehnt werden, kann er jederzeit erneut gestellt werden.

 

☆ Befindet sich der Verurteilte in U-Haft und liegen die Zurückstellungsvoraussetzungen des Therapieplatzes und der Kostenzusage nach Urteilsverkündung noch nicht vor, kann es sich oftmals empfehlen, die Rechtskraft der Entscheidung noch hinauszuzögern und ggf. trotz Einverständnis mit dem Urteil gleichwohl zunächst pro forma ein Rechtsmittel einzulegen. Denn die Erfüllung der Voraussetzungen der vorzulegenden Therapieplatzzusage und einer Kostenzusage bedürfen in der Regel der Mithilfe eines (örtlichen) Drogenberaters, der bei der Vermittlung der passenden Einrichtung sowie beim Ausfüllen der notwendigen Anträge hilft. Da die meisten Drogenberatungen nur ortsgebunden arbeiten, kann so verhindert werden, dass der Verurteilte durch den Übergang von Untersuchungshaft in Strafhaft in eine andere JVA verlegt wird und dort gegebenenfalls eine bereits begonnene Therapieplatzsuche mit einer anderen Drogenberatung neu beginnen muss. Das Rechtsmittel kann dann gleichzeitig mit dem Antrag zur Z...

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