Das Wichtigste in Kürze:

1. Unabhängig davon, ob in der HV ein Beweisantrag gestellt wurde, kann mit der Revision die sogenannte Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 erhoben werden.
2. Die Aufklärungsrüge braucht grds. nicht erhoben zu werden, wenn ein Beweisantrag gestellt und abgelehnt worden ist.
3. Die Begründungserfordernisse sind bei der Aufklärungsrüge besonders hoch und werden vielfach vom Beschwerdeführer nicht erfüllt.
 

Rdn 2330

 

Literaturhinweise:

Fezer, Grenzen der Beweisaufnahme durch das Revisionsgericht

s. auch die Hinw. bei → Revision, Allgemeines, Teil A Rdn 2006, und bei → Revision, Verfahrensrüge, Allgemeines, Teil A Rdn 2307, sowie bei Burhoff, HV, Rn 331.

 

Rdn 2331

1. Unabhängig davon, ob in der HV ein Beweisantrag gestellt wurde, kann mit der Revision die sog. Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 erhoben werden. Ihr kommt ein besonders hoher Stellenwert zu, weil mit ihr der Verstoß gegen die Amtsaufklärungspflicht gerügt wird. Die Aufklärungsrüge ist darauf gerichtet, dass das Gericht ohne entsprechende Beweisanträge der Beteiligten ein bestimmtes Beweismittel nicht benutzt hat, obwohl sich ihm die Notwendigkeit hierzu hätte aufdrängen müssen, und die Benutzung dieses Beweismittels zu einem anderen konkreten Beweisergebnis geführt hätte (vgl. hierzu BGHSt 23, 176, 187; BGH NStZ 1999, 45 f.; StV 1998, 635; 2002, 350; LR-Becker, § 244 Rn 46; Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 Rn 80; Burhoff, HV, Rn 329 ff.). Die denkbaren Fallgestaltungen sind vielfältig, denn das Tatgericht hat die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle zur Wahrheitserforschung bedeutsamen Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, soweit nicht Schätzklauseln eingreifen (vgl. BGHSt 1, 94, 96; 23, 176, 187; 32, 115, 122; Fezer, Grenzen der Beweisaufnahme, S. 95; KK-Krehl, § 244 Rn 28 ff. und 60 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 Rn 12 m.w.N und Rn 14 ff.). Hierbei kann die Verletzung der Aufklärungspflicht die Nichtberücksichtigung aller nach der StPO zur Verfügung stehenden Beweismittel betreffen. Grds. steigt die Aufklärungspflicht im Sinne einer möglichst vollständigen Ausschöpfung sämtlicher zur Verfügung stehender Beweismittel, je weniger das Beweisergebnis gesichert erscheint und je gewichtiger die Unsicherheitsfaktoren bzw. Widersprüchlichkeiten sind, die in der Beweisaufnahme zutage getreten sind (vgl. Dahs, RV, Rn 326). Dies gilt in besonderem Maße in Fällen von Aussage-gegen-Aussage in denen objektive Beweisanzeichen fehlen (BGH NStZ-RR 2003, 314).

 

Rdn 2332

2. Die Aufklärungsrüge braucht grds. nicht erhoben zu werden, wenn ein Beweisantrag gestellt und abgelehnt worden ist. Dann ist die Rüge der fehlerhaften Behandlung des Beweisantrags nach den §§ 244 Abs. 3 bis 6, 245 vorrangig (Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 Rn 80; zu dieser Rüge s. → Revision, Verfahrensrüge, Beweisantragsrecht, Teil A Rdn 2360). Liegt allerdings nur ein Beweisermittlungsantrag oder eine Beweisanregung und kein förmlicher Beweisantrag vor, muss der Verteidiger die fehlerhafte Behandlung seines Beweisermittlungsantrags bzw. seiner Beweisanregung zum Gegenstand einer Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 machen. Das Gleiche gilt, wenn ein Beweisantrag als unzulässig abgelehnt worden ist (Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 Rn 80 m.w.N.; zum Beweisantragsrecht und zum Verfahren der Beweisaufnahme in der HV s. Burhoff, HV, Rn 835 ff., 971 ff.).

 

☆ Die zusätzliche Erhebung der Aufklärungsrüge neben der Rüge der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags empfiehlt sich aber dann, wenn der Verteidiger zwar davon ausgeht, einen förmlichen Beweisantrag gestellt zu haben, das Tatgericht diesen aber nur als Beweisermittlungsantrag angesehen hat oder die Gefahr besteht, dass das Revisionsgericht den Antrag nachträglich zum bloßen Beweisermittlungsantrag herabstuft (siehe hierzu die Entscheidung BGHSt 39, 251, 550 mit Anm. Widmaier NStZ 1993 u. Anm. Hamm StV 1993, 454). Die Gefahr einer solchen Herabstufung ist durch die seitens der Rechtsprechung stark verschärften Konnexitätserfordernisse (vgl. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt , § 244 Rn 21a und eingehend Junker , Rn 46 ff.) nicht zu unterschätzen. Da ein Beweisermittlungsantrag nicht förmlich durch einen Beschluss zurückgewiesen werden muss, bestünde ohne die zusätzliche Erhebung einer Aufklärungsrüge die Gefahr, dass die Rüge der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags ins Leere läuft (ausführlich hierzu Junker , Beweisantragsrecht, Rn 212 und unten Rdn  2336 ). Werden jedoch sowohl die Aufklärungs- als auch die Beweisantragsrüge erhoben, ist es für das Revisionsverfahren irrelevant, ob das Revisionsgericht die vom Verteidiger gestellten Anträge als Beweisanträge oder lediglich als Beweisermittlungsanträge ansieht. Geht das Revisionsgericht von förmlichen Beweisanträgen aus, greift die Rüge der Verletzung der §§ 244 Abs. 3 bis 6, 245 durch. Geht das Revisionsgericht hingegen von bloßen Beweisermittlungsanträgen aus, greift die Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 durch.zusätzliche Erhebung der Aufklärungsrüge neben der Rüge der fehlerhaften Ab...

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