Das Wichtigste in Kürze:

1. Ist die Rechtsbeschwerde nicht bereits nach dem Katalog des § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 5 zulässig, kommt ihre Zulassung in Betracht.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, wenn die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts geboten ist.
3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kann auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfolgen.
4. Wenn das amtsgerichtliche Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben ist, ist die Rechtsbeschwerde ebenfalls zuzulassen.
5. Verfahrenshindernisse sind im Zulassungsverfahren unbeachtlich, wenn sie vor Erlass des Urteils im ersten Rechtszug vorgelegen haben.
6. Bei "geringfügigen" OWi ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde eingeschränkt.
7. Das Verfahren auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist ein Vorschaltverfahren, das der Feststellung der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde dient.
8. Das Zulassungsverfahren ist ein rein schriftliches Verfahren.
 

Rdn 1250

 

Literaturhinweise:

Baukelmann, Die Zulassung der Rechtsbeschwerde im Bußgeldverfahren, 1983

Demuth/Schneider, Die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 OWiG, NJW 1970, 1999

Fromm, Die schier unüberwindbare Hürde der Zulassungsrechtsbeschwerde im Ordnungswidrigkeitenverfahren, zfs 2015, 485

Weidemann, Die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 I OWiG bei divergierender Entscheidung, NStZ 1985, 1

s. auch die Hinw. bei → Rechtsbeschwerde, Allgemeines, Teil A Rdn 1053 und → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Allgemeines, Teil A Rdn 1298.

 

Rdn 1251

1.a) Soweit die Rechtsbeschwerde nicht bereits nach dem Katalog des § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 5 OWiG zulässig ist (vgl. dazu → Rechtsbeschwerde, Zulässigkeitsvoraussetzungen, Teil A Rdn 1211), kann sie gem. § 79 Abs. 1 S. 2 OWiG dennoch in Ausnahmefällen möglich sein, wenn sie zugelassen wird. Die Voraussetzungen der Zulassung regelt § 80 OWiG. Die Regelung bezweckt, dass bei weniger bedeutsamen OWi eine höchstrichterliche Entscheidung nur noch ausnahmsweise herbeigeführt werden können soll und dies gem. § 79 Abs. 1 S. 2 OWiG auch nur dann, wenn durch Urteil, d.h. aufgrund einer HV entschieden wurde.

 

☆ Gegen eine Beschlussentscheidung nach § 72 OWiG gibt es keine Zulassungsbeschwerde (→  Rechtsbeschwerde, Zulässigkeitsvoraussetzungen , Teil A Rdn  1211 ).Beschlussentscheidung nach § 72 OWiG gibt es keine Zulassungsbeschwerde (→ Rechtsbeschwerde, Zulässigkeitsvoraussetzungen, Teil A Rdn 1211).

 

Rdn 1252

Die Zulassung erfolgt auf Antrag durch das Beschwerdegericht (§ 80 Abs. 1 OWiG). Die Zulassungsvoraussetzungen finden sich in § 80 Abs. 1 und 2 OWiG.

 

Rdn 1253

 

Übersicht zu den Zulassungsvoraussetzungen

 
§ 80 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. OWiG Zulassung zur Fortbildung des Rechts
§ 80 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. OWiG Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG Zulassung bei Versagung des rechtlichen Gehörs
§ 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG
Einschränkung der Zulassung bei geringfügigen OWi
Grenze: Bußgeld bis einschließlich 100,00 EUR
nur zur Fortbildung des materiellen Rechts; Verfahrensrüge nicht möglich; Ausnahme bei Verletzung des rechtlichen Gehörs
§ 80 Abs. 2 Nr. 2 OWiG
Einschränkung der Zulassung bei Freispruch oder Einstellung
Grenze: Im Laufe des Verfahrens muss Geldbuße von mehr als 150,00 EUR festgesetzt oder beantragt sein.
nur zur Fortbildung des materiellen Rechts; Verfahrensrüge nicht möglich; Ausnahme bei Verletzung des rechtlichen Gehörs
 

Rdn 1254

b) Die o.g. Zulassungsvoraussetzungen sind auch in solchen Fällen im Einzelnen zu prüfen, in denen das AG rechtsfehlerhaft ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 77b OWiG das Urteil nicht mit Gründen versehen hat. Fehlt die Urteilsbegründung, führt dies nicht automatisch zur Zulassung der Rechtsbeschwerde, da die Voraussetzungen des § 80 Abs. 1 und 2 OWiG nicht nur anhand der Urteilsgründe, sondern auch aufgrund des Bußgeldbescheids, des HV-Protokolls oder dienstlicher Äußerungen überprüft werden können (grundlegend hierzu BGHSt 42, 187, 189 ff.; OLG Brandenburg VRS 116, 279; OLG Hamm DAR 2010, 99; OLG Köln NZV 1997, 371).

 

Rdn 1255

2. Zugelassen wird die Rechtsbeschwerde gem. § 80 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. OWiG, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen. Geboten ist die Nachprüfung nur, wenn sie sich aufdrängt. Nicht ausreichend ist, dass sie nur naheliegt (Göhler/Seitz, § 80 Rn 15), z.B. weil sie sinnvoll oder wünschenswert wäre (KK-OWi/Senge, § 80 Rn 39). Unter Fortbildung des Rechts wird die Aufstellung von Leitsätzen für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen und formellen Rechts sowie die rechtsschöpferische Ausfüllung von Gesetzeslücken verstanden (BGHSt 24, 15, 21; OLG Bamberg VRR 2011, 83; OLG Düsseldorf VRS 96, 295, 296; OLG Hamm NJW 1973, 1851; DAR 2010, 99; OLG Köln NStZ-RR 2010, 88; VRS 58, 245). Die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Rechtsfortbildung ist nur geboten bei Rechtsfragen, die entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und als abstraktionsfähige Rechtsfragen von prakt...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge