Das Wichtigste in Kürze:

1. Kommt ein Jugendlicher schuldhaft Weisungen oder Auflagen nicht nach, kann gem. § 11 Abs. 3 JGG Ungehorsamsarrest verhängt werden.
2. Der Jugendliche muss über die Folgen eines Verstoßes belehrt worden sein.
3. Die erteilte Weisung muss bestimmt und erfüllbar sein.
4. Vor der Verhängung muss dem Jugendlichen und seinem Erziehungsberechtigten oder gesetzlichem Vertreter Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem Richter gegeben werden.
5. Bei der Verhängung von Ungehorsamsarrest ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten.
6. Der Ungehorsamsarrest darf die Dauer von 4 Wochen nicht überschreiten.
7. Der Richter sieht von der Vollstreckung ab, wenn der Jugendliche nach Verhängung des Arrests der Weisung nachkommt.
8. Der Ungehorsamsarrest ist ein reiner "Beugearrest".
9. Die Vorschrift ist eine Ermessensvorschrift.
10. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss, der mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden (§ 65 Abs. 2 S. 2 JGG).
11. Die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen die Verhängung von Ungehorsamsarrest ist möglich.
 

Rdn 921

 

Literaturhinweise:

Eisenberg, Jugendarrest wegen schuldhafter Nichtbefolgung von Weisungen und Auflagen, Zbl 1989, 16

Ostendorf, Wider die Verselbstständigung des sog. Ungehorsamsarrestes zu einer zusätzlichen jugendgerichtlichen Sanktion, Zbl 1983, 563

ders., Flexibilität versus Rechtsstaatlichkeit im Jugendstrafrecht, GA 2006, 513

ders., Mindeststandards zum Jugendarrestvollzug, ZRP 2010, 20

s.a. die Hinw. bei → JGG-Besonderheiten, Allgemeines, Teil A Rdn 620.

 

Rdn 922

1. Kommt ein Jugendlicher schuldhaft Weisungen oder Auflagen nicht nach, so kann Ungehorsamsarrest verhängt werden (§§ 11 Abs. 3, 15 Abs. 3 S. 2 JGG). Der Verstoß gegen die Weisung muss schuldhaft, d.h. vorwerfbar sein. Die Nichtbefolgung einer rechtswidrigen bzw. unzumutbaren Anordnung stellt kein schuldhaftes Verhalten eines Verurteilten dar (Eisenberg § 11 Rn 16 f.). Die Schuld kann ebenfalls fehlen, wenn die Weisung wegen einer entgegenstehenden Anordnung der Erziehungsberechtigten nicht befolgt wurde (Eisenberg Zbl 1989, 20; vgl. a. auch VerfGH Rheinland-Pfalz NStZ 2013, 292). Bei der Nichterfüllung von Weisungen und Auflagen im Rahmen einer Bewährungsentscheidung (s. auch Burhoff/Kotz/Schimmel, Nachsorge, Teil A Rn 128) kann ebenfalls Ungehorsamsarrest verhängt werden (§ 23 Abs. 1 S. 4 i.V.m. § 11 Abs. 3 JGG). Dies gilt jedoch nicht für Weisungen und Auflagen im Rahmen der "Vorbewährung" gem. §§ 61 ff. JGG (fehlende Verweisung in § 61b Abs. 1 S. 1 JGG; ausführlich Burhoff/Kotz/Schimmel, Nachsorge, Teil A Rn 118 ff.).

 

Rdn 923

§ 11 Abs. 3 JGG ist anwendbar auf Jugendliche, auch wenn sie von einem allgemeinen Gericht verurteilt werden (§ 104 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 JGG), auf Heranwachsende dann, wenn materielles Jugendstrafrecht auf sie angewendet wird (§ 109 Abs. 2 JGG).

 

Rdn 924

2. Der Jugendliche muss über die Folgen des Verstoßes gem. § 11 Abs. 3 JGG belehrt worden sein. Ohne Belehrung ist die Verhängung von Ungehorsamsarrest unzulässig.

 

☆ Die Belehrung gem. § 11 Abs. 3 JGG muss protokolliert worden sein. Das ist vom Verteidiger zu überprüfen.protokolliert worden sein. Das ist vom Verteidiger zu überprüfen.

 

Rdn 925

3. Die erteilte Weisung muss bestimmt und erfüllbar sein, damit Verstöße einwandfrei festgestellt werden können und dem Betroffenen unmissverständlich vor Augen geführt wird, wann die Verhängung eines Jugendarrests droht (LG Kaiserslautern ZJJ 2010, 431). Bei einer Arbeitsweisung ist mindestens erforderlich, dass das Gericht neben der Zahl der abzuleistenden Arbeitsstunden auch die Frist, bis wann die Weisung spätestens erfüllt sein muss, ausdrücklich angibt (OLG Braunschweig Nds.Rpfl 2012, 289). Eine Bemessung lediglich nach Monaten kann zu unbestimmt sein (Wie viele Stunden sind insgesamt abzuleisten? Wie viele Stunden sind in einer Woche bzw. in einem Monat zu erbringen? Muss die gemeinnützige Arbeit "am Stück" erbracht werden?, LG Kaiserslautern, Beschl. v. 30.7.2014 – 8 Qs 13/14). Die "Weisung", Anordnungen des Betreuungs- oder Bewährungshelfers Folge zu leisten ist nicht bestimmt genug (KG, Beschl. v. 22.3.2007 – 2 Ws 224/07). Ebenfalls rechtswidrig ist die Auflage oder Weisung, sechs Monate gemeinnützige Arbeit zu erbringen. Eine solche Anordnung überschreitet die sowohl bei Arbeitsweisungen i.S. des § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 JGG als auch bei Arbeitsauflagen i.S. des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 JGG zu beachtende zeitliche Begrenzung (LG Kaiserslautern, Beschl. v. 30.7.2014 – 8 Qs 13/14). Zu weiteren zulässigen und unzulässigen Weisungen s. dazu auch Burhoff/Kotz/Schimmel, Nachsorge, Teil A Rn 133 ff.).

 

Rdn 926

4. Vor der Verhängung von Ungehorsamarrest muss dem Jugendlichen und seinem Erziehungsberechtigten oder gesetzlichem Vertreter Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem Richter gegeben werden (§§ 65 Abs. 1 S. 3, 67 Abs. 1 JGG). Eine Aufforderung zur schriftlichen Stellungnahme reicht nicht aus (LG Arnsberg StV 2007, 1).

 

Rdn 927

5. Wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsa...

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