Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Einstellungsmöglichkeiten sind im JGG gegenüber dem allgemeinen Strafrecht weiter.
2. Vor Anklageerhebung richten sich die Einstellungsmöglichkeiten der StA nach § 45 JGG.
3. Nach Anklageerhebung kann der Richter gem. § 47 Abs. 1 JGG das Verfahren einstellen.
4. Die Einstellung bedarf der Zustimmung der StA, nicht jedoch des Jugendlichen.
5. Die "erzieherische Maßnahme" nach § 45 Abs. 2 JGG umfasst alle Maßnahmen, die zur Erziehung des Beschuldigten von privater oder öffentlicher Seite im Rahmen bestehender Erziehungsaufgaben durchgeführt oder eingeleitet sind.
6. Einstellungsbeschlüsse sind grds. nicht anfechtbar, es sei denn, der Maßnahme fehlt eine gesetzliche Grundlage.
 

Rdn 735

 

Literaturhinweise:

Bareinske, Sanktion und Legalbewährung im Jugendstrafverfahren in Baden-Württemberg, 2004

Bohnert, Die Reichweite der staatsanwaltschaftlichen Einstellung im Jugendstrafrecht, NJW 1980, 127

Feigen, Staatsanwaltschaftliche Diversion in Theorie und Praxis, ZJJ 2008, 349

Goeckenjan, Neuere Tendenzen in der Diversion, 2005

Grote, Diversion im Jugendstrafrecht, 2006

Heinz, Diversion im Jugendstrafverfahren. Aktuelle kriminalpolitische Bestrebungen im Spiegel empirischer Untersuchungen, ZRP 1990, 7

ders., Zahlt sich Milde aus? Diversion und ihre Bedeutung für die Sanktionspraxis, ZJJ 2005, 166

Hombrecher, Die Einstellung des Verfahrens in Jugendstrafsachen (§§ 45, 47 JGG), JA 2009, 889

Linke, Diversionsrichtlinien im Jugendstrafverfahren – Bundeseinheitliche Einstellungspraxis durch Verwaltungsvorschriften der Länder?, NStZ 2010, 609

Löhr-Müller, Diversion durch den Jugendrichter, 2001

Schweckendieck, Die "Einstellung zur Bewährung" nach den §§ 45, 47 JGG, ZRP 1988, 276

Storz, Jugendstrafrechtliche Reaktion und Legalbewährung, 1994

s.a. die Hinw. bei → JGG-Besonderheiten, Allgemeines, Teil A Rdn 620.

 

Rdn 736

1. Die Einstellungsmöglichkeiten sind im JGG gegenüber dem allgemeinen Strafrecht weiter und bergen auch für die Verteidigung mehr Möglichkeiten, kreativ auf einen Verfahrensabschluss hinzuwirken (dazu auch Burhoff, EV, Rn 2339 ff.). Sämtliche Untersuchungen zur Diversion im Jugendstraferfahren kamen zu dem Ergebnis, dass die Rückfallraten nach einer Diversionsentscheidung jedenfalls nicht höher waren als nach einer Verurteilung (Bareinske, S. 119; Storz, S. 131; Grote, S. 347), eher signifikant niedriger (Heinz ZRP 1990, 7; ders. ZJJ 2005, 166).

 

Rdn 737

Einstellungen sind im Jugendstrafverfahren auch bei Verbrechensvorwürfen möglich. Verschärft sind allerdings gegenüber dem allgemeinen Strafrecht die registerrechtlichen Folgen. Jede Einstellung wird gem. § 60 Abs. 1 Nr. 7 BRZG in das Erziehungsregister eingetragen (allgemein zum Erziehungsregister Burhoff/Kotz/Schimmel, Nachsorge, Teil E Rn 282 ff.).

 

☆ Bei Heranwachsenden hat der Verteidiger zu überlegen, ob nicht wegen der registerrechtlichen Folgen eher eine Einstellung gem. §§ 153, 153a in manchen Fällen argumentativ erreicht werden sollte.Heranwachsenden hat der Verteidiger zu überlegen, ob nicht wegen der registerrechtlichen Folgen eher eine Einstellung gem. §§ 153, 153a in manchen Fällen argumentativ erreicht werden sollte.

 

Rdn 738

Die (Diversions-)Vorschriften der §§ 45, 47 JGG sind anwendbar auf Jugendliche, auch wenn sie von einem allgemeinen Gericht verurteilt werden (§ 104 Abs. 1 Nr. 4 JGG), auf Heranwachsende dann, wenn materielles Jugendstrafrecht auf sie angewendet wird (§ 109 Abs. 2 JGG).

 

Rdn 739

2. Vor Anklageerhebung richten sich die Einstellungsmöglichkeiten der StA nach § 45 JGG (Einzelheiten bei Feigen ZJJ 2008, 349; Bohnert NJW 1980, 127; Hombrecher JA 2009, 889; zur "Polizeidiversion" Goeckenjan, S. 143ff.; zu den Diversionsrichtlinien Linke NStZ 2010, 609; Burhoff, EV, Rn 2339 ff.).

 

Rdn 740

3. Nach Anklageerhebung kann der Richter (zu einem Modellprojekt s. Löhr-Müller) gem. § 47 Abs. 1 JGG das Verfahren einstellen, wenn

die Voraussetzungen des § 153 vorliegen (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 JGG),
eine erzieherische Maßnahme im Sinne des § 45 Abs. 2 JGG (s. dazu Rdn 742), die eine Entscheidung durch Urteil entbehrlich macht, bereits durchgeführt oder eingeleitet ist (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 JGG),
der Richter eine Entscheidung durch Urteil für entbehrlich hält und gegen den geständigen Jugendlichen eine in § 45 Abs. 3 S. 1 JGG bezeichnete Maßnahme anordnet (§ 47 Abs. 1 Nr. 3 JGG; dazu Schweckendieck ZRP 1988, 276) oder
der Angeklagte mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist (§ 47 Abs. 1 Nr. 4 JGG).
 

Rdn 741

4. Die Einstellung bedarf der Zustimmung der StA. Sie entfaltet beschränkten Strafklageverbrauch (§ 47 Abs. 3 JGG). Eine Zustimmung des Jugendlichen ist nicht erforderlich (Eisenberg, JGG, § 47 Rn 18; zur Verfassungsmäßigkeit der Unterscheidung BVerfG, Beschl. v. 27.1.1983 – 2 BvR 92/83).

 

Rdn 742

5. Die "erzieherische Maßnahme" nach § 45 Abs. 2 JGG umfasst alle Maßnahmen, die zur Erziehung des Beschuldigten von privater oder öffentlicher Seite im Rahmen bestehender Erziehungsaufgaben durchgeführt oder eingeleitet sind....

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