Das Wichtigste in Kürze:

1. Gem. § 11 Abs. 2 JGG kann der Richter nach der Rechtskraft des Urteils Weisungen ändern, von ihnen befreien oder ihre Laufzeit vor Ablauf bis auf drei Jahre verlängern, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist. Dies gilt auch für Auflagen nach § 15 JGG.
2. Die Gründe für eine Änderung oder Befreiung müssen in der Erziehung liegen, d.h. sie müssen aus Gründen der Prävention erforderlich sein.
3. Das Verfahren über die nachträglichen Entscheidungen richtet sich nach § 65 JGG.
4. Der Beschluss, durch den die Änderung einer Weisung abgelehnt wird ist gem. § 65 Abs. 2 S. 1 JGG unanfechtbar. Gegen die Änderung von Weisungen ist die einfache Beschwerde gem. § 2 Abs. 2 JGG, § 304 statthaft.
 

Rdn 600

 

Literaturhinweise:

Böhm/Feuerhelm, Einführung in das Jugendstrafrecht. 4. Aufl. 2004

Böttcher/Weber, Erstes Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes NStZ 1990, 561

Ostendorf, Flexibilität versus Rechtsstaatlichkeit im Jugendstrafrecht GA 2006, 513. s.a. die Hinw. bei → JGG-Besonderheiten, Allgemeines, Teil A Rdn 619.

 

Rdn 601

1.a) Die Jugendgerichte ordnen "aus Anlass der Straftat eines Jugendlichen" Erziehungsmaßregeln an (§ 5 Abs. 1 JGG). Erziehungsmaßregeln sind u.a. die in § 10 JGG nicht abschließend genannten Weisungen. Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Die Laufzeit einer Weisung darf zwei Jahre nicht überschreiten; sie soll bei einer Weisung nach § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 JGG (Betreuungsweisung) nicht mehr als ein Jahr, bei einer Weisung nach § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 JGG (sozialer Trainingskurs) nicht mehr als sechs Monate betragen.

Nach § 5 Abs. 2 JGG werden Straftaten eines Jugendlichen mit Zuchtmitteln (oder Jugendstrafe) geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht mehr ausreichen. Zuchtmittel sind u.a. die in § 15 JGG abschließend geregelten Auflagen.

 

Rdn 602

Gem. § 11 Abs. 2 JGG kann der Richter nach der Rechtskraft des Urteils Weisungen ändern, von ihnen befreien oder ihre Laufzeit vor Ablauf bis auf drei Jahre verlängern, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist.

 

Rdn 603

b) Dasselbe gilt gem. § 15 Abs. 3 S. 1 JGG für Auflagen. Auch diese kann der Richter nachträglich ändern oder von ihrer Erfüllung ganz oder zum Teil befreien, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist.

 

☆ Aus erzieherischen Gründen kann bei Weisungen und Auflagen in eine rechtskräftige Entscheidung eingegriffen werden.rechtskräftige Entscheidung eingegriffen werden.

 

Rdn 604

Die Vorschrift wird dahin gehend interpretiert, dass nicht die konkret angeordnete Weisung in Rechtskraft erwachse, sondern nur die Anordnung, dass dieser Jugendliche durch Weisungen in der jeweils angemessenen Form erzogen werden soll (Brunner/Dölling, § 11 Rn 1; kritisch dazu Eisenberg, § 11 Rn 5).

 

Rdn 605

§ 11 Abs. 2 JGG ist anwendbar auf Jugendliche, auch wenn sie von einem allgemeinen Gericht verurteilt werden (§ 104 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 JGG) und auf Heranwachsende dann, wenn materielles Jugendstrafrecht auf sie angewendet wird (§ 109 Abs. 2 JGG).

 

Rdn 606

c) Der Jugendrichter soll bei Weisungen, denen der Jugendliche längere Zeit hindurch nachzukommen hat, in angemessenen Zeitabständen prüfen, ob es aus Gründen der Erziehung geboten ist, die Weisung oder ihre Laufzeit zu ändern oder die Weisung aufzuheben (RLJGG Nr. 1 zu § 11). Es wird eine Überprüfung nach spätestens drei Monaten empfohlen (HK-JGG/Buhr § 11 Rn 15).

 

☆ Eine Überprüfung der (weiteren) Zweckmäßigkeit der Weisung und dementsprechende Nachfragen empfehlen sich auch für den Verteidiger.

 

Rdn 607

2.a) Die Gründe für eine Änderung oder Befreiung müssen in der Erziehung liegen, d.h. sie müssen aus Gründen der Prävention erforderlich sein (Ostendorf, § 11 Rn 6). Erzieherische Gründe liegen dann vor, wenn sich aufgrund veränderter äußerer (sozialer Verhältnisse des Jugendlichen) oder in der Person des Verurteilten (Erziehungsfähigkeit und -bedürftigkeit) liegender Umstände eine andere Beurteilung des erzieherischen Einwirkungserfolges der einmal angeordneten Weisung ergibt (Eisenberg, § 11 Rn 6; D/S/S-Diemer, § 11 Rn 4; HK-JGG/Buhr, § 11 Rn 11; Laubenthal/Baier/Nestler, Rn 632). Da es keine Rolle spielt, ob die Einschätzung des Einwirkungserfolges aufgrund äußerer oder in der Person des Delinquenten liegender Umstände revidiert werden muss, ist auch kein Verschulden erforderlich (Eisenberg, § 11 Rn 5).

 

☆ Wenn der Jugendliche die Weisung bereits vollständig erfüllt hat, ist eine Änderung nicht mehr möglich.bereits vollständig erfüllt hat, ist eine Änderung nicht mehr möglich.

 

Rdn 608

Unerheblich ist, ob die Umstände, die zur Anpassung führen, erst nach dem Zeitpunkt der Entscheidung eingetreten sind. Eine Abänderung ist auch dann zulässig, wenn die dazu führenden Verhältnisse zwar schon vor der ursprünglichen Entscheidung bestanden, dem Gericht aber erst nachträglich bekannt gew...

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