Versteckt unter dem Titel "Zoll, Warenverkehr" bestimmt Art. 5 Abs. 4 des Protokolls: Die in Anhang 2 dieses Protokolls aufgeführten Bestimmungen des Unionsrechts gelten unter den Bedingungen, die in dem genannten Anhang festgelegt sind, auch für das VK und im VK in Bezug auf Nordirland.

Neben dem Zoll- und Außenhandelsrecht listet der Anhang 2 dann ca. 250 Verordnungen und Richtlinien auf, die praktisch die gesamten Binnenmarktregelungen erfassen, die alle in NI anzuwenden sind. Angesichts dieser Tatsache hat der Einleitungssatz von Art. 7 Abs. 1 des Protokolls eine eher symbolische Bedeutung: "Unbeschadet der in Anhang 2 dieses Protokolls aufgeführten Bestimmungen des Unionsrechts [ist] für die Rechtmäßigkeit des Inverkehrbringens von Waren in Nordirland das Recht des Vereinigten Königreichs maßgebend." Dieser Satz gilt in der Praxis nur dann, wenn keine im Anhang 2 zitierte Unionsregelung vorliegt oder wenn eine dort genannte Regelung den Mitgliedstaaten einen Spielraum überlässt. Dies wird auf mittlere und längere Sicht ein Problem für das VK, wenn es sich dafür entscheidet, von den Produktstandards der Union abzuweichen. Denn

  • für das Gebiet von NI muss das VK die EU-Standards einhalten und – soweit es sich um Richtlinien handelt – entsprechende nationale Regelungen erlassen,
  • für das Gebiet von GB kann das VK andere Regelungen erlassen, ist dann aber kaum in der Lage, den Eingang von in NI nach anderen Standards hergestellten Waren zu verhindern, weil das VK auf Kontrollen beim Eingang von Waren aus NI in GB verzichtet.

Auf dem Markt von GB wird es dann nach unterschiedlichen Standards hergestellte Waren geben. Noch komplizierter wird die Lage, falls das VK mit Drittländern (z. B. USA, China) vereinbart, dass es deren Standards bei aus diesen Ländern ausgeführten Waren akzeptiert. Dann würden auf dem britischen Markt Waren erhältlich sein, die mehr als zwei unterschiedlichen Standards entsprechen. An der EU-Grenze (einschließlich NI) müssten dann alle diejenigen Waren zurückgewiesen werden, die nicht den EU-Standards entsprechen. Für EU-Importeure (einschließlich solcher in NI), die Waren aus GB beziehen, aber auch für Hersteller in GB würde sich dadurch der Compliance-Aufwand erheblich erhöhen.

 
Hinweis

Praxishinweis: Verantwortung der Wirtschaftsakteure nach Unionsrecht

Unbeschadet etwaiger Pflichten der Wirtschaftsakteure nach den anwendbaren Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union nimmt der […] Wirtschaftsakteur folgende Aufgaben wahr:[36]

  1. Falls in den für ein Produkt geltenden Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union eine EU-Konformitätserklärung oder eine Leistungserklärung und technische Unterlagen vorgeschrieben sind: Überprüfung, dass die EU-Konformitätserklärung oder die Leistungserklärung und die technischen Unterlagen erstellt wurden, Bereithaltung der Konformitätserklärung oder der Leistungserklärung für die Marktüberwachungsbehörden während des vorgeschriebenen Zeitraums und Sicherstellung, dass die technischen Unterlagen diesen Behörden auf Aufforderung zur Verfügung gestellt werden können;
  2. auf begründetes Verlangen einer Marktüberwachungsbehörde: Übermittlung aller zum Nachweis der Konformität des Produkts erforderlichen Informationen und Unterlagen an die Behörde in einer Sprache, die für diese Behörde leicht verständlich ist;
  3. sofern Gründe für die Annahme vorliegen, dass ein bestimmtes Produkt ein Risiko darstellt: Unterrichtung der Marktüberwachungsbehörden;
  4. Zusammenarbeit mit den Marktüberwachungsbehörden und – auf begründetes Verlangen – Gewährleistung, dass unverzüglich die notwendigen Korrekturaktivitäten ergriffen werden, um in einem Fall der Nichtkonformität mit den Anforderungen, die in den für das betreffende Produkt geltenden Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union festgelegt sind, Abhilfe zu schaffen oder, falls dies nicht möglich ist, die von diesem Produkt ausgehenden Risiken zu mindern, und zwar entweder nach Aufforderung durch die Marktüberwachungsbehörden oder auf eigene Initiative, wenn der […] Wirtschaftsakteur der Ansicht ist oder Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt ein Risiko darstellt.

Soweit die Behörden in NI das Unionsrecht anwenden, dürfen sie auch bestimmte Maßnahmen treffen, die nationale Behörden in der Union treffen. Das könnten sein:

 
Hinweis

Praxishinweis: Verantwortung der NI-Behörden

[Zulässig sind] Bewertungen, Eintragungen, Bescheinigungen, Zulassungen und Genehmigungen in Nordirland, die auf der Grundlage von aufgrund dieses Protokolls anwendbaren Bestimmungen des Unionsrechts von den zuständigen Behörden des Vereinigten Königreichs oder von im Vereinigten Königreich eingerichteten Stellen ausgestellt beziehungsweise vorgenommen wurden. Den Konformitätskennzeichnungen, Logos oder ähnlichen Zeichen, die in aufgrund dieses Protokolls anwendbaren Bestimmungen des Unionsrechts vorgeschrieben sind und von Wirtschaftsbeteiligten aufgrund der Bewertung, Eintragung, Bescheinigung, Genehmigung oder Zulassung durch zuständige Behörden de...

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