Da NI nach Art. 4 Abs. 1 des NI-Protokolls Teil des Zollgebiets des VK ist, unterliegen Waren, die sich in NI im freien Verkehr befinden und die von dort aus auf direktem Weg (also nicht über Häfen bzw. Flughäfen in Irland) nach GB befördert werden, keinen Zollförmlichkeiten und befinden sich bei ihrer Ankunft in GB als "domestic goods" im freien Verkehr des VK. Dies gilt auch für Waren, die in der EU hergestellt oder dort importiert und verzollt wurden. Insbesondere Erzeuger landwirtschaftlicher Produkte in NI sehen dies mit Sorge, weil auch außerhalb der EU ansässige Unternehmen diesen Vorteil durch eine Einfuhrabfertigung in der EU (z. B. unter Anwendung von Präferenzzöllen) nutzen können. Die Regierung des VK behält sich deshalb vor, Maßnahmen gegen etwaige Missbräuche zu erlassen.

In ihrem Dokument "The UK's Approach to the Northern Ireland Protocol" vom Mai 2020 fasst die Regierung des VK ihre Strategie wie folgt zusammen (§ 19):

Das Protokoll ist deutlich darin, dass nichts Unternehmen in NI an einem ungehinderten Zugang zum restlichen VK-Binnenmarkt hindert, was die Regierung des VK auch gesetzlich festlegen wird. Dies bedeutet:

  • keine Einfuhrzollanmeldungen, wenn Waren aus NI im restlichen VK ankommen;
  • keine summarischen Eingangsanmeldungen aus Sicherheitsgründen, wenn Waren aus NI im restlichen VK ankommen;
  • keine Zölle auf NI-Waren, die in das restliche VK verbracht werden;
  • keine Zollkontrollen;
  • keine neuen Kontrollen im Hinblick auf Verbote und Beschränkungen;
  • keine zusätzlichen Genehmigungen erforderlich für die Vermarktung im restlichen VK;
  • keine Notwendigkeit, Ausfuhranmeldungen bzw. summarische Ausgangsanmeldungen abzugeben für Waren, die von NI zum restlichen VK verbracht werden.

Der letzte Punkt steht im Widerspruch zum NI-Protokoll, da es sich um einen Vorgang auf dem Gebiet von NI handelt, auf dem das Unionsrecht anwendbar und für dessen Regelung das VK nicht zuständig ist (allenfalls der Gemeinsame Ausschuss könnte eine solche Abweichung vom Unionszollrecht beschließen).[28]

Auch für das direkte Verbringen nach NI von Waren, die sich in GB im freien Verkehr befinden, sieht das VK keine Zollförmlichkeiten vor. Bei der Ankunft der Waren in NI gelten dann die Bestimmungen des Unionsrechts, des NI-Protokolls und des Beschlusses über die Bestimmung von Waren, bei denen keine Gefahr besteht (vgl. Abschnitt 2.3).

[28] Zu den sonstigen Widersprüchen zwischen dem Strategie-Dokument und dem NI-Protokoll s. Gasiorek/Jerzewska, The unresolved difficulties of the Northern Ireland protocol.

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