1 Vorbemerkung

Der deutsche Begriff der "Umsatzsteuer" wird im Folgenden synonym mit dem unionsrechtlichen Begriff der "Mehrwertsteuer" verwendet. Systematisch gesehen ist das aktuelle deutsche "Umsatzsteuerrecht" seit dem 01.01.1968 ein "Mehrwertsteuerrecht". Der entsprechend im Umsatzsteuergesetz (UStG) 1968 enthaltene Zusatz "Mehrwertsteuer" wurde allerdings in den 1970er-Jahren wieder gestrichen (vgl. UStG 1973). Begrifflich ist klarzustellen, dass "Großbritannien" nur jenen Teil des Staatsgebiets des "Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland" bezeichnet, der sich auf der östlichen der britischen Inseln befindet, und aus den Territorien England, Schottland und Wales besteht.

2 Einleitung

Das Umsatzsteuerrecht ist in der EU seit dem 01.01.1968 grundsätzlich harmonisiert. Das VK hat die entsprechenden unionsrechtlichen Vorgaben (historisch in erster Linie: Erste und Zweite Richtlinie zur Mehrwertsteuer, Sechste Richtlinie zur Mehrwertsteuer, aktuell primär: Richtlinie 2006/112/EG = Mehrwertsteuersystemrichtlinie, MwStSystRL) mit seinem Beitritt zur damaligen EWG zum 01.01.1973 übernommen und in der Folge vorbehaltlich ausdrücklich gewährter Beibehaltung nationaler Vorschriften (vgl. v. a. Art. 110 und Art. 370 bis 374 MwStSystRL) grundsätzlich umgesetzt. Die folgende Darstellung liefert zunächst einen Überblick der vor dem Brexit geltenden umsatzsteuerlichen Behandlung von wesentlichen Geschäften deutscher Unternehmen mit dem VK. Anschließend wird auf Konsequenzen des Brexits eingegangen. Das Handbuch hat in diesem Abschnitt nicht den Anspruch, das britische nationale Mehrwertsteuerrecht umfassend näher zu beschreiben, sondern geht lediglich auf einzelne ausgewählte Aspekte desselben ein. Eine Darstellung des britischen Mehrwertsteuerrechts per 2017 durch Pommer findet sich in Weimann/Lang, Umsatzsteuer national und international, 2236 ff.

3 Darstellung der umsatzsteuerlichen Behandlung von Transaktionen mit dem Vereinigten Königreich aus deutscher Sicht bis zum 31.12.2020

3.1 Grundsätze

Bis zum 31.01.2020 war das VK ein Mitgliedstaat der EU. Dementsprechend gelten bis zu diesem Termin aus deutscher umsatzsteuerlicher Sicht sämtliche Vorschriften, die sich auf Mitgliedstaaten der EU beziehen. Das zwischen der EU und dem VK im Januar 2020 abgeschlossene Übergangsabkommen (vgl. TF50 (2019) 64 – Commission to EU 27 vom 17.10.2019) sah eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2020 (vgl. Art. 126 des Abkommens) vor. Die EU und das VK haben darauf verzichtet, die nach dem Abkommen grundsätzlich mögliche Verlängerung dieses Übergangszeitraums zu vereinbaren.

Das Abkommen bewirkt während des Übergangszeitraums in umsatzwertsteuerlicher Hinsicht eine Weitergeltung der Vorschriften des Gemeinsamen Mehrwertsteuersystems auch im VK (vgl. Art. 127 des Abkommens). Demzufolge gelten die im Folgenden beschriebenen Regelungen bis zum 31.12.2020.

Umsatzsteuerlich gehört das Territorium des VK bis zum 31.12.2020 zum sog. Gemeinschaftsgebiet (vgl. § 1 Abs. 2a UStG und Abschnitt 1.10 Abs. 1 UStAE). Davon ausgenommen sind die überseeischen Länder und Gebiete und die Selbstverwaltungsgebiete der Kanalinseln Jersey und Guernsey (vgl. Art. 6 MwStSystRL und Abschnitt 1.10 Abs. 1 UStAE). Die Insel Man gehört wiederum zum Gemeinschaftsgebiet (vgl. Art. 7 MwStSystRL und Abschnitt 1.10 Abs. 1 UStAE). Gibraltar ist hingegen nicht Teil des Gemeinschaftsgebiets (vgl. Abschnitt 1.10 Abs. 1 UStAE).

Alle nicht zum Gemeinschaftsgebiet gehörenden Territorien sind umsatzsteuerrechtlich als sogenanntes Drittlandsgebiet zu behandeln (vgl. § 1 Abs. 2a Satz 3 UStG und Abschnitt 1.10 Abs. 1 UStAE). Die Unterscheidung ist für viele umsatzsteuerliche Regelungen relevant, die in den folgenden Abschnitten näher erläutert werden.

3.2 Innergemeinschaftlicher Warenverkehr zwischen Unternehmen

3.2.1 Lieferung von Deutschland in das Vereinigte Königreich als innergemeinschaftliche Lieferung

Wenn eine Warenlieferung aus Deutschland in das Gebiet des VK erfolgt und die Ware entsprechend körperlich dorthin gelangt, kann es sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung handeln. Die in Deutschland umgesetzte Definition der innergemeinschaftlichen Lieferung basiert in vollem Umfang auf den Vorschriften des Unionsrechts (vgl. Art. 138 MwStSystRL).

3.2.1.1 Innergemeinschaftliche Lieferung – Grundfall

Eine innergemeinschaftliche Lieferung setzt nach der Definition im deutschen Umsatzsteuergesetz im Grundfall voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Liefergegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet, der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt, und der Erwerb beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt (vgl. § 4 Nr. 1 b) UStG i. V. m. § 6a Abs. 1 UStG). Der Unternehmer muss die Voraussetzungen nachweisen (vgl. § 6a Abs. 3 UStG).

Seit dem 01.01.2020 sind zusätzlich die Verwendung einer gültigen ausländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch den Abnehmer (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 4 UStG) und die rechtzeitige Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung (vgl. § 4 Nr. 1 b) UStG und § 18a UStG), in der die entsprechende Lieferung angemeldet wurde, materiell-rechtliche Voraussetzung für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel

Die deutsche Fritz GmbH mit Sitz in Münster liefert Ware an die britische Pic...

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