Wie im Abschnitt 3.2.1 ausführlich beschrieben, gelten bisher für entsprechende Warenlieferungen grundsätzlich die Regelungen des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs, d. h., es sind meistens steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Dies ist mit Vollzug des Austritts des VK aus der EU hinfällig. Der umsatzsteuerliche Status von Großbritannien ändert sich mit diesem Stichtag von dem eines Mitgliedstaats der EU zu einem Drittstaat. Damit entfällt zugleich die Möglichkeit, die Regelungen für innergemeinschaftliche Lieferungen weiter anzuwenden, weil diese u. a. das körperliche Gelangen von Waren in einen anderen Mitgliedstaat der EU voraussetzen (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG).

4.4.1.1 Grundsatz: Ausfuhrlieferung aus Deutschland

Liefert ein deutscher Unternehmer nach dem Austritt Waren, die körperlich in das Gebiet von Großbritannien gelangen, so gelten nunmehr die Vorschriften für die Ausfuhrlieferung (vgl. § 4 Nr. 1 a) UStG und § 6 UStG, Art. 146 MwStSystRL sowie Abschnitt 4.4.1.1).

 
Hinweis

Praxishinweis

Grundsätzlich gibt es ab Brexit-Vollzug keine innergemeinschaftliche Lieferung nach Großbritannien mehr. Dabei ist der Warenweg entscheidend!

Eine Ausfuhrlieferung liegt nach dem deutschen Recht in der ersten Alternative vor, wenn ein Unternehmer einen Liefergegenstand in das Drittlandsgebiet befördert oder versendet (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Anders als bei innergemeinschaftlichen Lieferungen spielen persönliche Merkmale des Abnehmers in diesem Fall keine Rolle. Wenn also ein deutscher Unternehmer Waren nach Großbritannien verkauft und selbst für den Transport der Ware nach Großbritannien verantwortlich ist (einschließlich der Einschaltung eines Erfüllungsgehilfen wie eines Spediteurs, Kurierdienstes, usw.), so liegt regelmäßig eine Ausfuhrlieferung vor. Anders als bei innergemeinschaftlichen Lieferungen kommt es auch zu Ausfuhrlieferungen, wenn der Abnehmer eine Privatperson, eine hoheitlich handelnde juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein für Bereiche außerhalb seines Unternehmens kaufender umsatzsteuerlicher Unternehmer ist.

Bis zum Brexit

Nach dem Brexit

 
Hinweis

Praxishinweis

Ab Brexit-Vollzug sind die meisten Warenlieferungen aus Deutschland nach Großbritannien umsatzsteuerliche Ausfuhrlieferungen. Prozesse in ERP-Systemen, Faktura und Belegführung sind entsprechend umzustellen.

Abb. 7: Feld zur Meldung von Ausfuhrlieferungen in der USt-Voranmeldung

4.4.1.2 Besonderheiten bei Transport durch den Abnehmer

Eine Ausfuhrlieferung ist ebenfalls anzunehmen, wenn der Abnehmer für die Beförderung oder Versendung des Liefergegenstandes in das Drittland zuständig ist und er ein ausländischer Abnehmer ist (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG). Ausländischer Abnehmer ist dabei sowohl ein Abnehmer aus einem Drittstaat als auch ein Abnehmer aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet.

Insbesondere wenn ein britischer Abnehmer Waren bei einem deutschen Unternehmen bestellt und den Transport entsprechend durch einen von ihm beauftragten Kurierdienst, Spediteur oder mit eigenen Mitteln veranlasst, handelt es sich somit abermals um eine grundsätzlich umsatzsteuerfreie Ausfuhrlieferung.

Bedeutsam ist der Unterschied zu den innergemeinschaftlichen Lieferungen. Wie dargestellt, spielt es bei der innergemeinschaftlichen Lieferung für die Steuerfreiheit keine Rolle, ob der Lieferant oder der Abnehmer für den Transport zuständig ist (allerdings kann dies für die Art der zulässigen Nachweisführung relevant sein).

 
Praxis-Beispiel

Beispiel

Die deutsche Fritz GmbH verkauft vor dem Brexit Ware an die Müller OHG. Die Müller OHG liefert die Ware an einen britischen Kunden und beauftragt hierfür eine Spedition. Sie gibt eine französische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer an. Die Lieferung der Fritz GmbH hat ihren Lieferort grundsätzlich in Deutschland. Es handelt sich um eine bewegte und steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. Die Müller OHG ihrerseits liefert ruhend mit Ort im VK.

Ein denkbarer Praxisfehler nach dem Austritt Großbritanniens kann daher insbesondere in Reihengeschäften vorkommen, bei denen am Anfang der Kette zwei deutsche Unternehmen stehen, die an einen britischen Abnehmer verkaufen. Ist nun der mittlere (deutsche) Unternehmer für den Warentransport zuständig, scheitert trotz eventueller Zuordnung der Warenbewegung im Reihengeschäft zu der Lieferung des ersten Unternehmers deren Steuerbefreiung an der fehlenden Ausländereigenschaft des Abnehmers. Das Risiko ist aus Praxissicht besonders hoch, weil nämlich zollrechtlich sehr wohl eine Ausfuhrlieferung vorliegen kann und für diese auch ein einwandfreier ATLAS-Ausgangsvermerk von der Zollverwaltung übermittelt wird.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel

Die deutsche Fritz GmbH verkauft Ware an die Müller OHG. Die Müller OHG liefert die Ware an einen britischen Kunden und beauftragt hierfür eine Spedition. Die Lieferung der Fritz GmbH hat ihren Lieferort grundsätzlich in Deutschland. Es handelt sich um eine bewegte, aber nicht steuerfreie (Ausfuhr)-Lieferung, weil die Müller OHG kein ausländischer Abnehmer ist. Die Müller OHG ihrerseits liefert ruhend mit Ort Großbritannien. Wenn stattdessen d...

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