Zum 01.01.1997 wurde im Wege einer Umsetzung der Vorgaben der Sechsten Richtlinie zur Mehrwertsteuer (vgl. Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14.12.1992 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG und zur Einführung von Vereinfachungsmaßnahmen im Bereich der Mehrwertsteuer) die Sonderregelung für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte eingeführt (und Art. 141 MwStSystRL). Deutschland hat sie entsprechend umgesetzt (vgl. § 25b UStG, UStÄndG 1997 vom 12.12.1996, BGBl I 1996, 1851).

Hintergrund dieser Vereinfachungsregelung ist folgende Ausgangslage: wenn drei Unternehmen aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten der EU an einem Reihengeschäft teilnehmen, führt dies stets zu einer umsatzsteuerlichen Registrierungspflicht des mittleren Unternehmers entweder im Abgangsland oder im Bestimmungsland. Diese Rechtsfolge wurde zutreffend als nachteilig für den gewünschten Binnenmarkt angesehen, weil umsatzsteuerliche Registrierungen im Ausland gerade für kleine und mittelgroße Unternehmen eine erhebliche bürokratische und Kostenbelastung darstellen. Die Sonderregelung für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte kann dieses Problem lösen. Sie kommt grundsätzlich zur Anwendung, wenn drei Unternehmen ein Reihengeschäft abschließen, bei dem die Ware innergemeinschaftlich in einen anderen Mitgliedstaat der EU gelangt.

Weitere Voraussetzung ist, dass der mittlere Unternehmer im Bestimmungsland nicht über eine mehrwertsteuerliche Niederlassung verfügt und sowohl gegenüber seinem Vorlieferanten als auch gegenüber dem Abnehmer unter der gleichen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auftritt, die weder aus dem Abgangsland noch aus dem Bestimmungsland stammt. Der letzte Abnehmer muss eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer aus dem Bestimmungsland verwenden. Zusätzlich gilt eine Meldepflicht in der Zusammenfassenden Meldung für den mittleren Unternehmer und die Verpflichtung, dass er in seiner Rechnung an den letzten Abnehmer auf eine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers verweist.

Die deutsche Umsetzung wie auch die herrschende Auffassung gehen weiterhin davon aus, dass die Dreiecksregel nur angewendet werden kann, wenn die Warenbeförderung durch den ersten oder den mittleren Unternehmer bzw. in deren Auftrag erfolgt (vgl. § 25b Abs. 1 Nr. 4 UStG und Abschn. 25b.1 Abs. 5 UStAE). Dies wird allerdings insbesondere im VK anders gesehen, das auch im sog. Abholfall die Dreiecksregel gestattet (vgl. VAT Notice 725). Stattdessen fordert das VK als zusätzliche Voraussetzung, dass der mittlere Unternehmer, obwohl er im VK gar nicht registriert ist, die Absicht zur Anwendung der Dreiecksregelung gegenüber der britischen Steuerbehörde vorab schriftlich anzeigt und dabei auch den Namen und die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer seines Abnehmers offenlegt (vgl. VAT Notice 725).

Bei Erfüllung aller Bedingungen muss der mittlere Unternehmer sich nicht in einem anderen Staat umsatzsteuerlich erfassen lassen. Vielmehr gilt der von ihm grundsätzlich verwirklichte innergemeinschaftlicher Erwerb im Bestimmungsland als besteuert (vgl. § 25b Abs. 3 UStG und Art. 141 MwStSystRL) und die Steuerschuld für seine eigentlich dort lokal steuerbare Lieferung an den letzten Abnehmer geht im Wege der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf Letzteren über.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel

Bei dem beschriebenen Reihengeschäft der deutschen Fritz GmbH mit einem Kunden in Paris und einem Lieferanten in Brüssel könnte die Dreiecksregel angewendet werden, wenn der belgische Lieferant die Ware versendet. Bei Einhaltung der Bedingungen (u. a. Fritz nutzt jeweils ihre deutsche Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, und stellt eine Rechnung mit Hinweis auf Steuerschuldnerschaft des französischen Kunden an diesen), muss sich die Fritz GmbH nicht im Ausland umsatzsteuerlich erfassen lassen.

Wenn dagegen der französische Kunde die Ware abholt, ist nach deutscher Lesart die Dreiecksregel und anwendbar und es kommt zu einer Registrierungspflicht im Ausland.

Abb. 3: Felder für die Meldung von Dreiecksgeschäften in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung, getrennt nach Lieferungen als erster Abnehmer und Steuerschuld als letzter Abnehmer

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