Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HS 1 KStG wird bei einem Ausschluss des inländischen Besteuerungsrechts hinsichtlich der Veräußerung oder Nutzung eines Wirtschaftsgutes einer Körperschaft ein steuerwirksamer Veräußerungsvorgang unter Aufdeckung stiller Reserven fingiert. Dem entspricht die Entnahmefiktion des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG bei natürlichen Personen.

Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG (ebenso § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG) gilt dies auch für die neue Zuordnung eines Wirtschaftsgutes, das bislang einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen war, an eine ausländische Betriebsstätte. Diese Zuordnung ist regelmäßig eine Folge der tatsächlichen Verwendung eines Wirtschaftsgutes bzw. der in den jeweiligen Betriebsstätten bzw. im Stammhaus ausgeübten Funktionen und getragenen Risiken, mithin dem tatsächlichen Einflussbereich des Steuerpflichtigen zuzuordnen. Es ließe sich zwar hinterfragen, ob eine sofortige Versteuerung von tatsächlich nicht realisierten Gewinnen zwingend erforderlich ist und nicht, entsprechend der geänderten Rechtsprechung des BFH zur Aufgabe der sog. finalen Entnahmetheorie (BFH vom 17.07.2008, I R 17/06, BStBl II 2009, 464), bei einem späteren tatsächlichen Gewinnrealisierungsvorgang entsprechend der Verursachung der stillen Reserven im In- oder Ausland nachgeholt werden kann. Dies erscheint angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlautes indes keine belastbare "ex ante" Gestaltungsüberlegung zu sein, sondern sollte allenfalls in Fällen der "Abwehrberatung" in einer steuerlichen Außenprüfung ("ex post") in Betracht gezogen werden.

Zudem werden die Liquiditätsnachteile aus dieser gesetzlichen Veräußerungsfiktion durch den Verweis des § 12 Abs. 1 Satz 1 HS 2 KStG auf § 4 g EStG abgemildert bzw. gestreckt. Nach dieser Vorschrift kann de lege lata ein unbeschränkt Steuerpflichtiger in Höhe der fiktiven Entnahme auf Antrag einen Ausgleichsposten bilden, der dann linear über fünf Jahre aufzulösen ist. Dies galt nach dem Wortlaut des bisherigen § 4 g EStG a. F. (vor ATADUmsG) allerdings nur bei einer fiktiven Entnahme durch Zuordnung eines Wirtschaftsgutes zu einer in einem Mitgliedstaat der EU belegenen Betriebsstätte. Bereits bisher wurde allgemein eine Erstreckung auf EWR-Betriebsstätten für zutreffend gehalten, da andernfalls ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 31 EWRA angenommen wurde. Im Rahmen des ATADUmsG wurde der Anwendungsbereich der Vorschrift in mehrfacher Hinsicht erweitert. Aus der neuen Bezugnahme auf § 36 Abs. 5 Satz 1 EStG in der durch das ATADUmsG ebenfalls geänderten Fassung ergibt sich, dass auch einer EWR-Betriebsstätte zugeordnete Wirtschaftsgüter erfasst sein können, sofern die Voraussetzungen der Amts- und Beitreibungshilfe gegeben sind. Diese Änderung gilt nach der Anwendungsregelung für alle noch offenen Fälle. Anders ist dies jedoch nach wie vor bei "echten" Drittlandsbetriebsstätten, die ihrer Art nach grundsätzlich auch nicht der Kapitalverkehrsfreiheit unterliegen.

In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass § 12 Abs. 1 Satz 1 HS 2 KStG keine bloße Rechtsfolgenverweisung darstellt, sondern dass es sich dabei um eine Rechtsgrundverweisung handelt, sodass auch bei einem Zuordnungswechsel bei Wirtschaftsgütern von Körperschaften zu einer Drittlandsbetriebsstätte die Möglichkeit entfällt, einen Ausgleichsposten nach § 4 g EStG zu bilden. Wird der Tatbestand des § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG daher nach dem Brexit (bzw. nach Ablauf des vereinbarten Übergangszeitraums) erfüllt, so kommt es zu einer sofortigen Versteuerung der stillen Reserven. Auch das Brexit-StBG ändert dies nicht.

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