Leitsatz

Die in räumlich und organisatorisch abgegrenzten Büros ausgeübte Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers als Insolvenzverwalter ist berufsrechtlich zulässig und erfordert keine Eintragung von Zweigniederlassungen in das Berufsregister.

 

Sachverhalt

Ein Steuerberater und Wirtschaftsprüfer arbeitet in eigener Praxis in M. Daneben betreibt er in Ch. und in T. Abwicklungsbüros für Insolvenzen, die er am Eingang durch ein Schild mit dem Hinweis "Büro Dr. X" kenntlich gemacht hat. In den Büros sind zehn bzw. acht Angestellte beschäftigt, allerdings keine Berufsträger. Beide Büros sind nicht als Zweigniederlassungen zum Berufsregister der Wirtschaftsprüferkammer angemeldet. Die Vorinstanzen haben einen Verstoß gegen die Regelungen über die Führung von Zweigniederlassungen und entsprechende Pflichten zur Eintragung in das Berufsregister verneint und die Tätigkeit als Insolvenzverwalter im Wesentlichen als nicht der WPO unterliegenden "echten" Zweitberuf gewertet. Dagegen wendet sich die Revision.

 

Entscheidung

Die Revision ist unbegründet. Der Berufsangehörige verstößt weder gegen die Bestimmungen über die Führung von Zweigniederlassungen noch gegen entsprechende Pflichten zur Eintragung in das Berufsregister oder die Verpflichtung, im beruflichen Verkehr die Bezeichnung "Wirtschaftsprüfer" zu führen.

Die Tätigkeit als Insolvenzverwalter gehört zu den Tätigkeiten, zu denen der Wirtschaftsprüfer befugt ist; sie stellt einen Unterfall der treuhänderischen Verwaltung gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 3 WPO dar. § 31 Satz 2 BS WP/vBP geht ausdrücklich von der Zulässigkeit der Verwendung der Kennzeichnung "Insolvenzverwalter" als weiterer Tätigkeitsbezeichnung aus. Insbesondere handelt es sich bei dieser Tätigkeit nicht um eine nach § 43a Abs. 3 Nr. 1 WPO verbotene gewerbliche Tätigkeit.

Die Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers als Insolvenzverwalter ist jedoch hier nicht als "echter" Zweitberuf zu werten. Ungeachtet dessen, dass es sich dabei nicht um eine Vorbehaltsaufgabe des Wirtschaftsprüfers handelt, prägt die Insolvenzverwaltung das Berufsbild des Wirtschaftsprüfers doch im weiteren Sinne mit, was sich auch aus der Überschrift zu § 2 WPO ergibt. Insolvenzverwaltung ist mithin auch dem Beruf des Wirtschaftsprüfers zuzuordnen und daher auch nach der WPO zu beurteilen, soweit die Insolvenzverwaltertätigkeit von einem vereidigten Buchprüfer oder Wirtschaftsprüfer ausgeübt wird. Der Wirtschaftsprüfer kann sich nämlich nicht in Teilbereichen befugter oder auch bloß vereinbarer Tätigkeit allen Berufsordnungen dadurch entziehen, dass er Tätigkeiten entfaltet, die für sich betrachtet keiner Berufsordnung unterfallen. So wäre es aber, wenn der Berufsangehörige seine Insolvenzverwaltertätigkeiten in T. und Ch. durch eigenen Organisationsakt vollständig aus der Geltung der WPO herauslösen könnte, denn die InsO stellt keine Berufsordnung dar.

Für die "Kerntätigkeit" des Wirtschaftsprüfers gelten die WPO und die BS WP/vBP uneingeschränkt. Grundsätzlich unterliegt er aber auch dann deren Regeln, wenn er als Insolvenzverwalter tätig wird. Wie weit diese grundsätzliche Geltung der Berufspflichten über die Kerntätigkeit hinausreicht, ist bisher nicht abschließend höchstrichterlich geklärt. Für die vergleichbaren Vorschriften im StBerG wird vertreten, dass sich die Berufspflichten auf den gesamten Bereich der Berufstätigkeit unter Einschluss der vereinbaren Tätigkeiten erstrecken. Begründet wird dies überwiegend damit, dass der Auftraggeber nicht zwischen der Steuerberatung im engeren Sinne und sonstigen Tätigkeiten unterscheide. Einer solch schematischen Übertragung der Berufspflichten nach der WPO auf die Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers als Insolvenzverwalter stünden indes die Grundsätze der Berufsausübungsfreiheit und das Verhältnismäßigkeitsprinzip entgegen.

Jedenfalls im Bereich der befugten und vereinbaren Tätigkeiten müssen die Regelungen der WPO und anderer Berufsordnungen unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Zwecks und mit Bedacht auf entgegenstehende Rechtspositionen und Ordnungsvorschriften bereichsspezifisch ausgelegt werden. So wie sich das Berufsverbot nur auf die Kerntätigkeit des Wirtschaftsprüfers erstreckt und der mit einem Berufsverbot belegte Wirtschaftsprüfer somit gleichwohl außerhalb seiner Kerntätigkeit befugter und vereinbarer Tätigkeit nachgehen darf, so gelten die Berufspflichten in ihrer Gesamtheit daher auch nur im Bereich der Kerntätigkeit des Berufsangehörigen. So bedarf es keiner näheren Erörterung, dass der Wirtschaftsprüfer etwa bei freier künstlerischer Tätigkeit weder zur Verwendung der Berufsbezeichnung "Wirtschaftsprüfer" verpflichtet ist noch insoweit etwa den Bestimmungen über Zweigniederlassungen unterliegen kann. Gleichwohl unterliegt er auch bei befugter und vereinbarer Tätigkeit aber stets den allgemeinen Berufspflichten aus § 43 Abs. 2 Satz 1 und 2 WPO.

Die notwendige bereichsspezifische Auslegung der Berufspflichten ergibt für die Tätigkeit als Insolvenzverwalter Folgendes: Sinn und Zweck der Regelunge...

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