Leitsatz

Die Regelung des § 393 Abs. 2 AO hindert nicht die Verfolgung einer Urkundenfälschung, wenn einer Steuererklärung, mit der Vorsteuerbeträge erschlichen werden sollen, gefälschte Rechnungen beigefügt waren. Dies gilt auch dann, wenn der Täter bezüglich der Steuerhinterziehung wirksam Selbstanzeige nach § 371 AO erstattet hat.

 

Sachverhalt

Der Angeklagte hatte – zusammen mit einigen Mittätern – drei Unternehmen gegründet, um ungerechtfertigte Vorsteuererstattungen zu erlangen. Dazu reichte er bei zwei Finanzämtern Voranmeldungen mit erheblichen Erstattungsbeträgen ein. Zur Bekräftigung seiner angeblichen Forderungen legte er Kopien von Rechnungen bei, die er gefälscht hatte. Nachdem ein Finanzamt eine Umsatzsteuersonderprüfung ankündigte, veranlasste der Angeklagte einen Mittäter, dort Selbstanzeige zu erstatten. Das andere Finanzamt schöpfte von Anfang an Verdacht und schaltete die Steuerfahndung ein. Bei einer Durchsuchung offenbarte der Angeklagte die bislang noch nicht entdeckten Hinterziehungen durch das dritte Unternehmen. Seine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung hob der BGH teilweise auf, bestätigte aber die wegen Urkundenfälschung.

 

Entscheidung

Der BGH weist erneut auf einige tragende Grundsätze der Selbstanzeige gemäß § 371 AO hin. Die – sonst formfreie – Selbstanzeige ist ein persönlicher Strafaufhebungsgrund. Straffreiheit erlangt nur, wer als Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung die Selbstanzeige persönlich erstattet[1]. Dies schließt jedoch nicht aus, dass ein – zuvor bevollmächtigter – Vertreter die Selbstanzeige erstattet. Auch eine verdeckte Stellvertretung ist zulässig. Entscheidend ist, dass der Täter die Mitteilung veranlasst hat und sie ihm deshalb zuzurechnen ist. Unverzichtbar ist, dass den Finanzbehörden durch die Mitteilung die Person des Vertretenen bekannt wird. Denn nur so ist es möglich, dem Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung, bei der bereits eine Steuerverkürzung eingetreten ist oder Steuervorteile bereits erlangt wurden, eine Frist gemäß § 371 Abs. 3 AO zu setzen. Der Täter oder Teilnehmer einer (versuchten) Steuerhinterziehung muss in der Selbstanzeige also grundsätzlich neben den Besteuerungsgrundlagen auch seinen eigenen Tatbeitrag offenlegen[2]. Eine strafbefreiende Selbstanzeige kommt nicht in Betracht, wenn einer der Ausschlussgründe des § 371 Abs. 2 AO vorliegt, insbesondere ein Amtsträger zur Ermittlung der Steuerstraftat erschienen[3] ist.

Die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 1 Nr. 1 a) AO tritt allerdings dann nicht ein, wenn zum Zeitpunkt, in dem ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat erschienen ist, der von einer späteren Selbstanzeige umfasste Sachverhalt – wie hier – weder vom Ermittlungswillen des Amtsträgers erfasst war noch mit dem bisherigen Ermittlungsgegenstand in engem sachlichen Zusammenhang stand. Der Hinweis des Angeklagten auf die bislang unerkannte versuchte Hinterziehung durch das dritte Unternehmen wirkte daher strafbefreiend.

Die Selbstanzeige hatte aber keine Auswirkungen auf die Strafbarkeit der – tateinheitlich zur Steuerhinterziehung verwirklichten – Urkundenfälschungen[4]. § 393 Abs. 2 Satz 1 AO untersagt – soweit es um die Verfolgung einer Nichtsteuerstraftat geht – die Verwendung von Tatsachen oder Beweismitteln, die der Steuerpflichtige der Finanzbehörde vor Einleitung des Strafverfahrens oder in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten offenbart hat. In Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten handelt der Steuerpflichtige, wenn er Informationen aufgrund seiner Mitwirkungspflichten mitteilt. Ein Steuerpflichtiger, der vorsätzlich falsche Angaben gegenüber den Finanzbehörden macht, um unberechtigte Vorsteuererstattungen zu erlangen, erfüllt keine steuerrechtlichen Erklärungs- und Mitwirkungspflichten. Gleiches gilt für die dabei erfolgte Vorlage gefälschter oder verfälschter Urkunden[5]. Offenbart der Steuerpflichtige mit einer Selbstanzeige eine allgemeine Straftat, die er mit der Steuerhinterziehung begangen hat, besteht also kein Verwertungsverbot gemäß § 393 Abs. 2 AO hinsichtlich der Nichtsteuerstraftat.

 

Praxishinweis

§ 393 Abs. 2 AO soll es dem Steuerpflichtigen ermöglichen, auch Einkünfte aus strafrechtlich relevanten Vorfällen anzugeben, ohne deswegen eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. Denn der Staat will Kenntnis von allen – legalen wie illegalen – Einkünften erlangen, um sie besteuern zu können. Der Steuerstraftäter, der im Rahmen einer Selbstanzeige ein mit der Steuerhinterziehung gleichzeitig begangenes Allgemeindelikt aufdeckt, offenbart jedoch keine weitere Steuerquelle für den Staat.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 5.5.2004, 5 StR 548/03

[1] Ausführlich Joecks, in: Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 5. Aufl., München 2001, § 371 Rz. 79
[2] Vgl. BGH-Urteil vom 18.6.2003, 5 StR 489/03, BGH wistra 2003, S. 385
[4] Vgl. § 267 StGB

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