Leitsatz

In tumultartiger, unzureichend organisierter Eigentümerversammlung sollte der Versammlungsleiter nicht nach der Subtraktionsmethode abstimmen lassen

 

Normenkette

§ 23 WEG

 

Kommentar

  1. Grundsätzlich kann ein Versammlungsleiter das tatsächliche Ergebnis einer Abstimmung auch dadurch feststellen, dass er ausschließlich Nein- und Enthaltungsstimmen abfragt und anschließend nicht abgerufene Stimmen als Ja-Stimmen wertet (sog. Subtraktionsmethode, vgl. BGH, Beschluss v. 19.9.2002, V ZB 37/02, NZM 2002 S. 992).
  2. Vorliegend entsprach die Abstimmung nach dieser Auszählungsmethode allerdings nicht Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Damit das tatsächliche Abstimmungsergebnis durch eine Rechenoperation hinreichend verlässlich ermittelt werden kann, sind nämlich begleitende organisatorische Maßnahmen zur korrekten Feststellung der Anwesenheiten erforderlich, woran es vorliegend fehlte. Eigentümer müssen nämlich zum Zeitpunkt der Abstimmung im Versammlungsraum anwesend sein, was hier nicht der Fall war. Das Schweigen nicht anwesender Eigentümer kann deshalb nicht als Stimmabgabe aufgefasst werden. Zum Zeitpunkt der jeweiligen Abstimmung muss deshalb die Anzahl der anwesenden und vertretenen Miteigentumsanteile feststehen, was durch sorgfältige Kontrolle des Teilnehmerverzeichnisses und dessen ständige Fortschreibung sicherzustellen ist. Sind im Einzelfall die notwendigen Maßnahmen zur exakten Feststellung der Gesamtanzahl der anwesenden Stimmen nicht organisatorisch erfasst, muss auch von dieser Subtraktionsmethode Abstand genommen werden. Vorliegend bestand äußerst aufgeheizte Atmosphäre im Versammlungssaal, wobei die Stimmung zwischen Tumult und Chaos schwankte. Abgestimmt werden sollte gerade auch zur Wiederwahl des Verwalters. Wer jeweils zu Abstimmungen den Saal verlassen hatte, wurde nicht kontrolliert. Keine Übersicht bestand auch über Eigentümer, die bereits endgültig den Versammlungsraum verlassen hatten; nirgendwo wurde dokumentiert, ob diese auch ihre Stimmkarten weitergegeben hatten. Viele Eigentümer hatten von der Abstimmung auch nichts mitbekommen. Das Nichtheben der Hand könne somit auch keine als Willenserklärung zu wertende Stimmabgabe sein. Auch konnte die Versammlungsleitung im Rahmen der heftigen Diskussionen Stimmergebnisse auch nicht verbindlich feststellen.
  3. Aus diesem Grund musste nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Protokollierung als objektiv falsch angesehen werden. Der gesamte Ablauf der Versammlung sowie Art und Weise der Abstimmungen entsprachen nicht Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.
Anmerkung

Nur in einer gesittet und ruhig verlaufenden Versammlung sollte zu unproblematischen Abstimmungspunkten aus Beschleunigungsgründen eine Stimmenauszählung nach der sog. Subtraktionsmethode ins Auge gefasst werden. Ob hier klare Ergebnisse im Sinne einer Antragsannahme (positiver Beschluss) oder einer Ablehnung (Negativbeschluss) zu erwarten sind, sollte der Versammlungsleiter ggf. im Rahmen einer vorgezogenen Probeabstimmung ermitteln. Weiterhin sollte er die anwesenden Eigentümer im Saal fragen, ob es im Fall nachfolgender Auszählung nach der Subtraktionsmethode Widerspruch gäbe; verneinende Antwort sollte er zu Beweiszwecken auch protokollieren. Selbstverständlich hat der Versammlungsleiter auch die Eigentümer über diese Möglichkeit einer schlüssigen Ergebnisfeststellung in Übereinstimmung mit der Rechtsmeinung des BGH aufzuklären. Gerade bei einem Stimmrechtsprinzip nach Wertanteilen in größerer Gemeinschaft kann insb. bei Regularbeschlüssen und erwartet klaren Abstimmungsergebnissen durch diese Auszählungs- und Ergebnisfeststellungsmethode viel Zeit gewonnen werden.

 

Link zur Entscheidung

AG Dortmund, Urteil vom 13.04.2010, 512 C 39/08

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