Nachlassverbindlichkeiten mindern den steuerpflichtigen Erwerb.[1] Zu den Schulden, die schon zu Lebzeiten des Erblassers entstanden sind, gehören auch die Steuerschulden, die auf den Erben übergehen, auch dann, wenn die Steuerfestsetzung erst nach dem Tode des Erblassers erfolgt.[2] Der Erbe kann eine vom Erblasser hinterzogene Einkommensteuer, die auch nach dem Eintritt des Erbfalls nicht festgesetzt wurde, selbst dann nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehen, wenn er das für die Festsetzung der Einkommensteuer zuständige Finanzamt zeitnah über die Steuerangelegenheit unterrichtet hat.[3] Eine festgesetzte Einkommensteuervorauszahlung ist auch dann als Nachlassverbindlichkeit i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG zu berücksichtigen, wenn sie erst nach dem Todestag entsteht.[4] Zahlungen auf offene Kirchensteuern des Erblassers durch den Erben sind bei diesem im Jahr der Zahlung als Sonderausgabe abziehbar.[5] Stirbt ein Steuerpflichtiger, so geht durch den Erbanfall die Steuerschuld des Verstorbenen auf den Erben über.[6]

Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG gehören nicht nur die Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtlich entstanden waren, sondern auch die Steuerverbindlichkeiten, die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen begründet hat und die mit dem Ablauf des Todesjahres entstehen. Die Festsetzung der Steuer ist nicht Voraussetzung ihrer Entstehung, sondern setzt nach § 85 Satz 1 AO die Entstehung voraus. Steuerschulden können aber wie andere Nachlassverbindlichkeiten nur dann abgezogen werden, wenn sie im Todeszeitpunkt eine wirtschaftliche Belastung dargestellt haben. Fehlt die wirtschaftliche Belastung, findet der Abzug nicht statt.[7]

 

Berichtigungspflicht des Erben nach § 153 AO

Auch eine wegen Demenz des Erblassers unwirksame Einkommensteuererklärung führt – ist sie unrichtig oder unvollständig – zu einer Berichtigungspflicht des Erben nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 AO, bei deren Verletzung eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO durch Unterlassen vorliegen kann. Die Berichtigungspflicht des Erben nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und S. 2 AO wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass er bereits vor dem Tod des Erblassers Kenntnis davon hatte, dass dessen Steuererklärung unrichtig ist.[8]

Durch die Nichtberichtigung von unrichtigen Einkommensteuererklärungen des Erblassers seitens der Erben machen sich diese selbst wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen strafbar.

Die von einem Erben durch eine unterlassene Berichtigung gem. § 153 Abs. 1 AO begangene Steuerhinterziehung führt nicht zu einer weiteren Verlängerung der Festsetzungsfrist, wenn diese sich schon aufgrund einer Steuerhinterziehung des Erblassers nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf zehn Jahre verlängert hatte. Gem. § 171 Abs. 7 AO läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, wenn der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger in eine zehnjährige Festsetzungsfrist eintritt und hinsichtlich derselben Steuer eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen begeht. Die Ablaufhemmung dauert in diesem Fall an, solange der Erbe wegen seiner eigenen Hinterziehung strafrechtlich verfolgt werden kann.[9]

Eine Vervielfältigung der verlängerten Festsetzungsfrist gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO im Falle einer Steuerhinterziehung seitens des Erblassers und einer späteren Steuerhinterziehung durch Unterlassen seitens der Erben findet nicht statt.[10]

Alte Steuerbescheide, die bereits vor Eintritt des Erbfalls an den Erblasser gerichtet waren und ihm auch zugegangen sind, wirken gegen den Erben. Der Erbe kann somit nur innerhalb der für den Rechtsvorgänger maßgeblichen Rechtsbehelfsfrist Einspruch einlegen.[11] Die gegen den Erblasser festgesetzte Einkommensteuer kann auch dann als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden, wenn der Erblasser noch zu seinen Lebzeiten gegen die Steuerfestsetzung Einspruch eingelegt hat und Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids gewährt wurde.[12] Für Neubescheide kann das Finanzamt gegen den oder die Erben Einzelbescheide oder einen zusammengefassten Steuerbescheid erlassen.[13]

[1] § 10 Abs. 5 ErbStG; H E 10.7 ErbStH 2019 mit Beispielen bzw. BFH-Urteilen.
[2] BFH, Urteil v. 4.7.2012, II R 50/11, BFH/NV 2012 S. 1790; R E 10.8 ErbStR 2019; BFH, Urteil v. 11.7.2019, II R 36/16, BFH/NV 2020 S. 143.
[3] BFH, Urteil v. 28.10.2015, II ZR 46/13, BFH/NV 2016 S. 675.
[4] FG Münster, Urteil v. 31.8.2017, 3 K 1641/17 Erb, rkr., EFG 2017, 1746.
[7] FG München, Urteil v. 16.9.2020, 4 K 2701/19, EFG 2021 S. 1737: Keine Abzugsfähigkeit von Einkommensteuerschulden infolge einer von den Erben erklärten Betriebsaufgabe als Nachlassverbindlichkeit i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG, Rev. eingelegt, Az. beim BFH II R 3/21.
[9] BF...

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