Die steuerliche Berücksichtigung von Verlusten aus selbstständiger Tätigkeit setzt voraus, dass der Steuerpflichtige die Absicht hatte, Gewinn zu erzielen. Dies ergibt sich aus der ausdrücklichen Verweisung in § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG auf § 15 Abs. 2 Satz 3 EStG und aus dem Negativmerkmal des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG. Hieraus ist zu schließen, dass auch bei selbstständiger Tätigkeit eine Gewinnerzielungsabsicht i. S. d. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG erforderlich ist.

Auch bei Einkünften aus selbstständiger Arbeit sind bei der Frage nach der Gewinnerzielungsabsicht, die auf Erzielung eines Totalgewinns unter Einbeziehung eines Veräußerungs- oder Aufgabegewinns gerichtet sein muss, jeweils alle Umstände einschließlich etwaiger Besonderheiten der Verhältnisse des Einzelfalls zu berücksichtigen.[1]

Dauerhafte Verluste aus selbstständiger Tätigkeit eines Freiberuflers (über einen Zeitraum von 9 Jahren), die fortwährend mit hohen Einkünften des Ehepartners verrechnet werden, lassen auf eine fehlende Einkunftserzielungsabsicht des Freiberuflers schließen.[2]

Ob die Verluste, die eine alleinerziehende Mutter aus ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin erzielt wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht steuerlich unbeachtlich sind, ist eine Frage des Einzelfalls und kann nicht allgemein in einem Revisionsverfahren entschieden werden.[3]

 

Hohe andere Einkünfte sind Indiz für Liebhaberei

Bei einer Anwaltskanzlei entfällt ein für die Gewinnerzielungsabsicht sprechender Anscheinsbeweis, wenn nicht das Streben nach Totalgewinn, sondern persönliche Beweggründe für die Fortführung des verlustbringenden Unternehmens bestimmend sind. Indizien für persönliche Gründe können entweder hohe andere Einkünfte sein, mit denen der Steuerpflichtige die Verluste verrechnet, oder das Unterlassen von Maßnahmen zur Herstellung und Steigerung der Rentabilität trotz ständiger und nachhaltiger Verluste.[4]

Erzielt der Anwalt über mehrere Jahre ständig oder regelmäßig Verluste, wird die Finanzverwaltung die Steuerfestsetzung bezüglich der Gewinnerzielungsabsicht in Zweifelsfällen unter Vorbehalt der Nachprüfung[5] oder vorläufig vornehmen.[6]

 

Prüfungsschritte der Gewinnerzielungsabsicht

Zunächst wird im Rahmen einer Prognose geprüft, ob ein Totalgewinn (d. h. ein positives Gesamtergebnis) der Kanzlei erzielt werden kann; dabei ist im Regelfall ein Zeitraum von 30 Jahren maßgeblich, besondere Gründe können aber auch für einen kürzeren Zeitraum sprechen. Ist die Prognose positiv, liegt Gewinnerzielungsabsicht vor; ist sie negativ, sind dann die Gründe dafür zu prüfen (z. B. Ausüben der Tätigkeit aufgrund persönlicher Gründe und Neigungen). Laut BFH ist kein sachlicher Gesichtspunkt erkennbar, der es rechtfertigt, die gebotene Totalprognose am Ende des Prüfungszeitraums enden zu lassen.[7]

Regelmäßig erfolgt nach einigen Verlustjahren im Rahmen einer Betriebsprüfung die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht.[8] Die Aberkennung der Gewinnerzielungsabsicht hat zur Folge, dass die gesamte bisherige freiberufliche Tätigkeit in eine steuerlich unbeachtliche Liebhaberei "umqualifiziert"wird. Steuernachzahlungen durch Aberkennung der bisherigen Verluste nebst Nachzahlungszinsen sind dann meist fällig.

[1] FG Köln, Urteil v. 13.6.2012, 5 K 3525/10 EFG 2013 S. 212: Zu der Frage, wann schon aufgrund der Höhe der erzielten Verluste sowie der Tatsache, dass die Tätigkeit strukturell dauerdefizitär ist, bei einer Tätigkeit als Rechtsanwalt auf eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden kann; siehe auch BFH, Beschluss v. 3.2.2015, III B 37/14, BFH/NV 2015, 857; BFH, Beschluss v. 13.5.2013, VIII B 162/11, BFH/NV 2013 S. 1235.
[6] § 165 Abs. 1 Satz 1 AO; H 15.3 EStH 20122 "Gewinnerzielungsabsicht – Vorläufige Steuerfestsetzung".
[8] FG Baden-Württemberg, Urteil v. 7.11.2012, 14 K 554/12: Die Tätigkeit eines Steuerberaters steht einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO nicht entgegen, da eine Außenprüfung auch bei Personen zulässig ist, die Berufsgeheimnisse wahren müssen. § 147 Abs. 6 AO ermöglicht einem Außenprüfer zu verlangen, dass ein maschinell verwertbarer Datenträger zur Nutzung überlassen wird. Dies umfasst das Recht, den Datenträger aus der Sphäre des Steuerpflichtigen zu entfernen und im Finanzamt auszuwerten; siehe auch Tz. 4.

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