Leitsatz

Ein Wohnungseigentümer kann Ansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Wege gewillkürter Prozessstandschaft im eigenen Namen geltend machen, wenn er ermächtigt ist und für die Standschaft ein schutzwürdiges Eigeninteresse besteht

 

Normenkette

§ 50 ZPO

 

Das Problem

  1. In einem in Wohnungseigentum aufgeteilten Gebäude befinden sich 2 Einheiten, die jeweils im Sondereigentum stehen (Doppelhaus). Das Gebäude ist an die zentralen Ver- und Entsorgungseinrichtungen, insbesondere an die Heizungs- und Warmwasserbereitungsanlage angeschlossen, die im gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümer einer benachbarten Wohnungseigentümergemeinschaft stehen.
  2. Nach der Gemeinschaftsordnung der benachbarten Wohnungseigentümergemeinschaft dürfen unter anderem die Eigentümer des Doppelhauses die gemeinschaftlichen Einrichtungen nutzen. Im Gegenzug wird ihnen in der Gemeinschaftsordnung ein "Benutzungszwang für das gesamte Leitungssystem, insbesondere Zentralheizung, Warmwasser und Entsorgung" auferlegt. Der Benutzungszwang ist dinglich nicht gesichert. Ein Wohnungseigentümer, dessen Einheit im Doppelhaus liegt, möchte festgestellt wissen, dass das Grundstück seiner Wohnungseigentumsanlage keinem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegt, hilfsweise, dass jedenfalls er einem solchen Zwang nicht unterworfen ist.
  3. Das Landgericht Aschaffenburg gibt der Klage im Hilfsantrag statt. Das Oberlandesgericht Bamberg hält die Klage zwar für zulässig, weil der Kläger durch die übrigen Wohnungseigentümer ermächtigt worden sei, die Feststellungsklage zu erheben. Die Klage sei jedoch im Haupt- wie im Hilfsantrag unbegründet. Sowohl der Kläger als auch die Eigentümer der weiteren Wohnung unterlägen dem Anschluss- und Benutzungszwang, da sie ebenso wie ihre Rechtsvorgänger in ihren Kaufverträgen diese Verpflichtung übernommen hätten. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
 

Entscheidung

  1. Die Klage ist im Hauptantrag unzulässig. Dem Kläger fehle die Befugnis, die Klage ohne eine dahin gehende Ermächtigung seitens der übrigen Wohnungseigentümer zu erheben. Mit dem Hauptantrag mache der Kläger nämlich einen Anspruch geltend, dessen prozessuale Durchsetzung Sache der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei.
  2. Zwar sei es möglich, dass ein oder mehrere Wohnungseigentümer Ansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Wege gewillkürter Prozessstandschaft in eigenem Namen geltend machen. Dies sei der Fall, wenn hierfür ein schutzwürdiges Eigeninteresse bestehe.
  3. Hier fehle es allerdings schon an einer wirksamen Ermächtigung. Von den Miteigentümern der anderen Einheit habe den Kläger nur der Ehemann zu einer Prozessführung ermächtigt, nicht dagegen dessen Ehefrau. Da die fehlende Prozessführungsbefugnis des Klägers bisher nicht gesehen worden ist, sei ihm Gelegenheit zu geben, die noch fehlende Ermächtigung nachzureichen und ihm das für eine gewillkürte Prozessstandschaft notwendiges schutzwürdiges Eigeninteresse an der Prozessführung darzulegen. Das führe zur Zurückverweisung des Rechtsstreits.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Dass ein für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im eigenen Namen auftretender Wohnungseigentümer einer Ermächtigung bedarf, konnte und kann keinem Zweifel unterliegen.
  2. Spannend ist daher eigentlich nur, wann ein Wohnungseigentümer ein schutzwürdiges Eigeninteresse daran hat, statt nach § 27 Abs. 3 Satz 2 oder Satz 3 WEG als Vertreter für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Standschafter aufzutreten. Hier empfiehlt sich, großzügig zu verfahren. Soweit die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ihrerseits nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG zur Prozessführung berufen ist, folgt das schutzwürdige Eigeninteresse eines Wohnungseigentümer bereits daraus, dass es um seine Rechte geht. Und soweit die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eigene Rechte nach § 10 Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 WEG verfolgt, darf man nicht übersehen, dass es im Ergebnis immer um die Interessen ihrer Mitglieder geht. Und das sind nun mal die Wohnungseigentümer.

Was ist für Verwalter wichtig?

  1. Wann für einen Verwalter ein schutzwürdiges Eigeninteresse besteht, im eigenen Namen anstelle der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als gewillkürter Prozessstandschafter zu klagen, hat der Bundesgerichtshof bereits geklärt (BGH v. 28.1.2011, V ZR 145/10, NJW 2011 S. 1361; vertiefend dazu Elzer, DNotZ 2011, S. 486). Der Verwalter besitzt – wie ein Geschäftsführer oder ein Vorstand – nach Ansicht des Bundesgerichtshofs grundsätzlich kein eigenes schutzwürdiges Interesse, als Prozessstandschafter die Rechte geltend zu machen, die der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Recht oder zur Ausführung zugeordnet sind. Ein Verband handelt durch seine Organisation, die Organisation handelt hingegen nicht für den Verband. Auch der Verwalter kann daher bis auf Sonderfälle nur als Teil der Handlungsorganisation des Verbands auftreten. Ein Interesse, dass ihn der Verband ermächtigt, im eigenen Namen Verbandsansprüche durchzusetzen, ist in der Regel nicht erken...

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