Rz. 311

Hinsichtlich der Verwaltungs- und der Verfügungsbefugnis ist zwischen dem Fall der freiwilligen und dem der notwendigen Insolvenz zu unterscheiden. Im Fall der freiwilligen Insolvenz bleiben die Befugnisse dem Insolvenzschuldner regelmäßig erhalten (Art. 106 Abs. 1 TRLC). Die Ausübung der Befugnisse steht allerdings unter dem Vorbehalt der Zustimmung bzw. Mitwirkung der Insolvenzverwalter (intervención, Zustimmungsvorbehalt). Liegt dagegen ein Fall der notwendigen Insolvenz vor, wird die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners regelmäßig "ausgesetzt" bzw. ihm entzogen (suspensión) und geht auf den Insolvenzverwalter über (Art. 106 Abs. 2 TRLC). Die Insolvenzverwaltung führt die geschäftliche Tätigkeit im Namen und auf Rechnung des Schuldners fort.[141] Der Richter kann von diesen gesetzlichen "Grundvorgaben" auch durch Beschluss abweichen. So kann das Gericht gem. Art. 106 Abs. 3 TRLC unter Angabe der Gründe (insbesondere Nennung der angestrebten Vorteile und der zu vermeidenden Risiken) eine von Art. 106 Abs. 1 bzw. 2 TRLC abweichende Regelung treffen.

 

Rz. 312

Handlungen des Schuldners, die den vorgenannten Beschränkungen (nicht notwendig schuldhaft) zuwiderlaufen, sind anfechtbar, wenn sie nicht im Einverständnis (ggf. auch durch Bestätigung) der Insolvenzverwaltung getroffen wurden. Die Insolvenzverwaltung kann eine entsprechende – fristgebundene[142] – Anfechtungsklage gem. Art. 109 TRLC vor dem Insolvenzgericht erheben.

 

Rz. 313

Art. 204 TRLC bestimmt, dass das Schuldnervermögen zu erhalten ist. Veräußerungen oder Belastungen von Vermögensgegenständen dürfen deshalb nur mit Zustimmung des Gerichts erfolgen. Das Schuldnervermögen soll in seiner (ggf. betrieblichen) funktionellen Einheit erhalten bleiben, es sei denn, das Zustandekommen eines Vergleichs scheitert oder der Vergleich wird nicht erfüllt.[143] In diesem Fall wird die Liquidationsphase eröffnet. Ausgenommen von dem Veräußerungsverbot sind nach Art. 206 Abs. 1 Nr. 1 TRLC die Verfügungen, die zur Fortsetzung der beruflichen oder geschäftlichen Tätigkeit gehören, deren Zulässigkeit sich nach Art. 111 ff. TRLC richtet.

 

Rz. 314

Die Geltendmachung von (nicht persönlichen) Ansprüchen des Schuldners fällt im Falle des Entzugs seiner Verwaltungsbefugnis (suspensión) vollständig der Insolvenzverwaltung zu. Verbleibt dem Schuldner indes die Verwaltungsbefugnis, liegt es grundsätzlich in seiner Hand, seine Ansprüche durchzusetzen. Nach Art. 119 Abs. 1 TRLC bedarf er zur Einreichung von Klagen oder Rechtsbehelfen der Zustimmung (intervención) der Insolvenzverwaltung. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass es Sache des Schuldners ist, seine Ansprüche geltend zu machen, gilt nach Art. 132 TRLC. Nach dieser Vorschrift ist die Insolvenzverwaltung befugt, die Haftungsansprüche der juristischen Person gegen ihre Geschäftsführer, Liquidatoren und Rechnungsprüfer ohne vorherige Zustimmung der Organe der juristischen Person (gerichtlich vor dem Insolvenzgericht) geltend zu machen. Selbstverständlich kann die Insolvenzverwaltung hier nur die Rechte für den Gemeinschuldner reklamieren, die auch gerade diesem zustehen.[144]

 

Rz. 315

Die Zwangsvollstreckung gegen das Schuldnervermögen ist nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. Art. 142 TRLC unzulässig. Die bereits eingeleiteten Zwangsvollstreckungsverfahren werden während des Insolvenzverfahrens gem. Art. 143 TRLC ausgesetzt, es sei denn, sie betreffen Güter, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlagnahmt wurden und für die Ausführung der professionellen oder unternehmerischen Tätigkeit nicht benötigt werden, vorausgesetzt, dass der Vollstreckungsgläubiger ein Arbeitnehmer oder eine Verwaltungsbehörde ist (Art. 144 TRLC). Auch die Vollstreckung aus garantías reales (dingliche Sicherheiten des Gläubigers) sind nach Art. 145 ff. TRLC von der (gem. Art. 148 Abs. 1 Nr. 2 TRLC auf ein Jahr befristeten) Aussetzung der Einzelvollstreckung betroffen. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um Güter handelt, die für die Ausführung der Tätigkeit unentbehrlich bzw. erforderlich sind.[145]

[141] Sánchez Álvarez, in: Fernández de la Gándara/Sánchez Álvarez, a.a.O., S. 190.
[142] Es gilt eine Frist von einem Monat, die mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem die Insolvenzverwaltung von einem Gläubiger oder dem Vertragspartner aufgefordert wird, zur Bestätigung oder Anfechtung der Handlung des Gemeinschuldners Stellung zu beziehen. Schröder, INF 2005, 18, 22.
[143] Sánchez Álvarez, in: Fernández de la Gándara/Sánchez Álvarez, a.a.O., S. 189.
[144] Deshalb kommt zwar die Geltendmachung der acción social durch die Insolvenzverwaltung gem. Art. 238 LSC in Betracht, nicht aber die der acción individual, die nur den Gesellschaftern zusteht. Sánchez Álvarez, in: Fernández de la Gándara/Sánchez Álvarez, a.a.O., S. 194: Die acción individual fällt demnach auch nicht in die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts.
[145] Vgl. hierzu Schröder, RIW 2004, 610, 612.

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