Rz. 257

Der EuGH hat mit Urteil vom 3.9.2014 (C-127/12) festgestellt, dass Spanien die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV und Art. 40 des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum vom 2.5.1992 verletzt, "soweit das spanische Steuerrecht die ungleiche Behandlung bei Schenkungen und Erbschaften von ansässigen und nichtansässigen Erben und Beschenkten, bei in Spanien ansässigen und nichtansässigen Erblassern und bei Schenkungen und vergleichbaren Verfügungen über innerhalb und außerhalb des spanischen Staatsgebiets belegenen Immobilien zulässt".

 

Rz. 258

Der EuGH betonte, dass nicht die Steuergesetzgebung der einzelnen Comunidades Autónomas (CAs) Gegenstand des Verfahrens war, sondern die staatlichen Kompetenzzuweisungen, die sich aus dem Gesetz 21/2001 und dem Nachfolgegesetz 22/2009 ergeben (Rn 65 d. Urteils). Schon die Möglichkeit, dass es zu einer steuerlichen Ungleichbehandlung aufgrund der Ansässigkeit kommt, stelle eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit dar (Rn 66 d. Urteils). Der EuGH ist also nicht in die konkrete Prüfung eines Vergleichs der verschiedenen spanischen (zentralstaatlichen und autonomen) Schenkungsteuervorschriften eingestiegen, sondern konnte sich darauf beschränken, dass schon die nach Art. 32 des Gesetzes 22/2009 vorgesehene Übertragung der Steuerkompetenzen im Bereich der Schenkungs- und Erbschaftsteuer auf die CAs für die Besteuerung von in Spanien ansässigen Steuerpflichtigen eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellt, weil dies eine nicht nach Art. 65 Abs. 1 AEUV gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Ansässigen und Nichtansässigen zur Folge haben kann – und auch häufig hat.

 

Rz. 259

Spanien hat hierauf reagiert und zum Zwecke der Beseitigung der vom EuGH gerügten steuerlichen Diskriminierung sein Schenkungs- und Erbschaftsteuerrecht angepasst. Das Gesetz 26/2014, vom 27.11.2014 (BOE Nr. 288 v. 28.11.2014) sieht entsprechende Vorschriften vor, die in das spanische Schenkungs- und Erbschaftsteuergesetz (29/1987) als "Zweite Zusatzbestimmung" inkorporiert werden. Das Gesetz trat zum 1.1.2015 in Kraft. Steuerpflichtigen mit Ansässigkeit in einem Mitgliedstaat der EU oder innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes wird die Möglichkeit eingeräumt, anstelle des zentralstaatlichen Steuerrechts für das der maßgeblichen CA zu optieren.

 

Rz. 260

Übersetzung der hier relevanten "Dritten Schlussbestimmung" der Ley 26/2014:

Zitat

"Schlussbestimmung Nr. 3. Änderung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes Nr. 29/1987 vom 18. Dezember"

Die zweite Zusatzbestimmung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes Nr. 29/1987 vom 18.12.1987 erhält die nachstehende Fassung:

"Zweite Zusatzbestimmung. Anpassung der Steuergesetzgebung an die Bestimmungen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 3.9.2014 (Aktenzeichen C-127/12) und Regelung der Steuerfestsetzung der Steuerpflichtigen gegenüber der Staatlichen Steuerverwaltung."

Eins. Anpassung des Steuergesetzes an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 3.9.2014.

1. Die Steuerberechnung der für jeglichen unentgeltlichen Erwerb von Vermögen und Rechten anwendbaren Steuer unterliegt in den nachstehend aufgeführten Fällen folgenden Bestimmungen:

a) Beim Erwerb von Vermögen und Rechten aufgrund einer Erbschaft, eines Vermächtnisses oder aufgrund sonstigem erbrechtlichen Erwerbsgrund eines in einem EU-Mitgliedstaat, der nicht Spanien ist, oder des Europäischen Wirtschaftsraums ansässigen Erblassers, sind die Steuerpflichtigen berechtigt, die Anwendung der Steuerbestimmungen der jeweiligen Autonomen Gemeinschaft zu verlangen, in der sich der wertmäßig größte Teil des in Spanien belegenen Nachlassvermögens und der Nachlassrechte befindet. Befinden sich in Spanien kein Nachlassvermögen oder keine Nachlassrechte, gilt für jeden Steuerpflichtigen die Gesetzgebung der Autonomen Gemeinschaft, in der er ansässig ist.

b) War der Erblasser in einer Autonomen Gemeinschaft ansässig, sind beim Erwerb von Nachlassvermögen oder Nachlassrechten aufgrund einer Erbschaft, eines Vermächtnisses oder eines sonstigen erbrechtlichen Erwerbsgrundes, die nicht ansässigen Steuerpflichtigen, jedoch mit Ansässigkeit in einem EU-Mitgliedstaat oder solche im Europäischen Wirtschaftsraum berechtigt, die Anwendung der Steuerbestimmungen der jeweiligen Autonomen Gemeinschaft zu verlangen.

c) Beim Erwerb von in Spanien belegenem unbeweglichen Vermögen aufgrund einer Schenkung oder eines sonstigen unentgeltlichen Rechtsgeschäfts unter Lebenden sind die nicht ansässigen Steuerpflichtigen mit Ansässigkeit in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder in einem des Europäischen Wirtschaftsraums berechtigt, die Anwendung entsprechender Steuerbestimmungen der jeweiligen Autonomen Gemeinschaft zu verlangen, in der sich das genannte unbewegliche Vermögen befindet.

d) Beim Erwerb unbeweglichen Vermögens, welches in einem EU-Mitgliedstaat oder im Europäischen Wirtschaftsraum außerhalb Spaniens belegen ist, aufgrund einer Schenkung oder eines unentgeltlichen Rechtsgeschäfts unter Lebenden...

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