aa) Zulässigkeit

 

Rz. 64

Während im gemeinspanischem Recht der Verzicht auf das Noterbrecht zu Lebzeiten des Erblassers unzulässig ist (Art. 816 CC), sieht das für Mallorca und (zwischenzeitlich[87] auch insoweit für) Menorca geltende Erbrecht einen entsprechenden Verzicht in Form der definición in den Art. 50 f. CDCIB vor.[88] Ziel der definición ist es, die Noterbberechtigten zu Lebzeiten des Erblassers pauschal abzufinden und somit das Familienvermögen ungeteilt von Todes wegen an einen Erben weitergeben zu können, indem der Erblasser volle Testierfreiheit erlangt.[89] Der Erblasser erreicht den Vorteil, frei testieren zu können, und der Noterbberechtigte erhält eine Zuwendung, die er normalerweise erst mit dem Tod des Erblassers erhalten hätte, beispielsweise um den Aufbau einer eigenen beruflichen Existenz zu ermöglichen.[90]

[87] Die definición ist für Erblasser aus Menorca erst durch das Gesetz 7/2017 zugänglich geworden.
[88] Die historischen Ursprünge der deffinitio reichen bis zur Gesetzgebung durch König Jaime I von 1274 zurück, s. Ferrer Vanrell, La problemática de los protocolos, S. 1483, 1511.
[89] Pons Salva, El pacto sucesorio mallorquin, rjib Nr. 11, S. 58, 61/62.
[90] Masot Miquel, Los Principios Generales del Derecho Sucesorio Balear, S. 73, 93.

bb) Beteiligte

 

Rz. 65

Es handelt sich um einen Erbvertrag,[91] an dem der Erblasser und der Verzichtende zu beteiligen sind. Auf Erblasserseite können alle Aszendenten (Eltern, Großeltern) den Erbverzicht entgegennehmen. Als Verzichtende kommen gemäß Art. 50 CDCIB die noterbberechtigten Abkömmlinge in Betracht. Die Eltern des Erblassers oder sein Ehegatte können mithin nicht durch den Erbvertrag der definición auf ihr Noterbrecht verzichten. Um eine pauschale, endgültige und für alle zufriedenstellende Abgeltung der Pflichtteilsrechte nach beiden Eltern erreichen zu können, kann es sich anbieten, dass beide Eltern und alle Kinder gemeinsam einen entsprechenden Erbvertrag errichten.[92]

 

Rz. 66

Ob nach Art. 50 Abs. 3 CDCIB, der von der mallorquinischen Gebietszugehörigkeit spricht, verlangt wird, dass sowohl Erblasser als auch der Verzichtende diese (bzw. jene von Menorca) besitzen müssen, bleibt zweifelhaft.[93] Jedenfalls muss der Erblasser/Schenker die mallorquinische vecindad civil haben.[94] Es wird vertreten, dass sich der Verzichtende bei der Beurkundung des Verzichts vertreten lassen kann.[95]

 

Rz. 67

Problematisch ist, ob unter diesen Voraussetzungen Ausländer eine definición überhaupt zur Abgeltung des Pflichtteilsrechts einsetzen können, selbst wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt auf den Balearen haben. Es liegt zwar ein Erbvertrag i.S.v. Art. 3 Abs. 1 lit. b), Art. 25 EuErbVO vor. Es genügt, wenn Rechte am Nachlass des Zuwendenden im Sinne eines Erb- und/oder Pflichtteilsverzichts geregelt werden.[96] Insbesondere die Zulässigkeit und die materielle Wirksamkeit eines Erbvertrages in der Gestalt der definición würden somit dem Recht unterliegen, das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbar wäre, wenn die Person – der zukünftige Erblasser – zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrages verstorben wäre. Über Art. 25 Abs. 1, Art. 21 EuErbVO könnte somit ein deutscher Staatsangehöriger, der auf Mallorca oder Menorca seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, mit seinen Abkömmlingen eine definición abschließen.

Zweifel bestehen allerdings mit Rücksicht auf Art. 50 Abs. 3 CDCIB selbst, denn dieser fordert jedenfalls für den Erblasser, dass dieser die vecindad civil von Mallorca besitzen müsse. Man wird die vecindad civil in diesem Sinne als Formwirksamkeitsvoraussetzung nach Art. 36 Abs. 3, 27 EuErbVO betrachten können.[97] Die vecindad civil kann aber nur von Spaniern, nicht aber von ausländischen Staatsangehörigen erworben werden.[98] Ist das Gesetz so zu verstehen, dass es genügt, wenn – auf welchem Wege auch immer – das Errichtungsstatut durch mallorquinisches Erbrecht ausgefüllt wird? Die DGRN betrachtet die in Art. 50 Abs. 3 CDCIB geforderte vecindad civil als eine durch das balearische Recht selbst aufstellte Tatbestandsvoraussetzung, so dass eine definición nicht durch einen zukünftigen Erblasser abgeschlossen werden kann, der selbst nicht die vecindad civil von Mallorca besitzt.[99] Dies entspräche der Auslegung, die sich am Sinn und Zweck der Norm orientiert. In Ermangelung hierzu bislang ergangener Rechtsprechung muss die Frage indes offenbleiben.

[91] STS v. 9.6.1995, rec. 587/1992.
[92] STSJ Baleares v. 28.5.1992, La Ley 8542/1992.
[93] Mit Pons Salva (rjib Nr. 11, S. 58, 61 und 69) ist davon auszugehen, dass jedenfalls wenigstens der Erblasser die mallorquinische Gebietszugehörigkeit besitzen muss. Nach Ferrer Vanrell (La problematica de los protocolos, S. 1483, 1511) müssen die an der Verzichtsurkunde beteiligten Personen die entsprechende Gebietszugehörigkeit besitzen – also auch der Verzichtende.
[94] Llodrà Grimalt/Ferrer Vanrell, La legítima en las Islas Baleares, II., 2.3.; Carbonell Crespí, La Institución de la "Definición", S. 69, 86.
[95] Carbonell Crespí, La Ins...

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