2.1.1 Beschluss

Sondernutzungsrechte können grundsätzlich nicht durch (Mehrheits-)Beschluss begründet werden. Mangels Beschlusskompetenz wäre ein entsprechender Beschluss nichtig.[1]

Hatten die Wohnungseigentümer zugunsten eines Wohnungseigentümers die Begründung eines Sondernutzungsrechts beschlossen, kann sich jeder Wohnungseigentümer zeitlich unbegrenzt auf die Nichtigkeit des Beschlusses berufen. Vertrauensschutzgrundsätze greifen nicht, Fragen der Verjährung oder Verwirkung stellen sich nicht.

[1] BGH, Urteil v. 8.4.2016, V ZR 191/15; BGH, Beschluss v. 20.9.2000, V ZB 58/99; LG Berlin, Beschluss v. 22.2.2019, 85 S 15/18; zur möglichen Ausnahme aufgrund vereinbarter Öffnungsklausel siehe Ziff. 3.3.

2.1.2 Vereinbarung

Rechtswirksam können Sondernutzungsrechte nur durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer begründet werden.[1] Wesen einer Vereinbarung ist, dass sämtliche im Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentümer dem Regelungsgehalt zustimmen müssen. Darüber hinaus muss feststehen, dass die Wohnungseigentümer insoweit eine Dauerregelung beabsichtigen. Vereinbarungen der Wohnungseigentümer bedürfen zunächst keiner bestimmten Form. Zu unterscheiden sind daher sog. schuldrechtliche Sondernutzungsrechte und sog. verdinglichte Sondernutzungsrechte.

[1] Zur Möglichkeit der Begründung aufgrund vereinbarter Öffnungsklausel siehe Kap. 2.1.3.

2.1.2.1 Schuldrechtliches Sondernutzungsrecht

Eine schuldrechtliche Vereinbarung bedarf grundsätzlich keiner bestimmten Form. Wesentlich ist, dass sämtliche Wohnungseigentümer dem Vereinbarungsgegenstand zustimmen.

Wirkung gegenüber Sondernachfolgern belasteter Wohnungseigentümer

Die schuldrechtliche Vereinbarung wirkt lediglich unter den aktuellen Wohnungseigentümern. Sie wirkt zwar auch gegenüber Gesamtrechtsnachfolgern von Wohnungseigentümern, also deren Erben. Schuldrechtliche Vereinbarungen wirken hingegen nicht gegenüber Sondernachfolgern von Wohnungseigentümern.

 
Praxis-Beispiel

Verkauf einer Wohnung

Auf einer Wohnungseigentümerversammlung einigten sich die Wohnungseigentümer darauf, zugunsten des gehbehinderten Wohnungseigentümers A ein Sondernutzungsrecht an einem Kfz-Stellplatz zu begründen. Nicht alle Wohnungseigentümer verfügen über einen Stellplatz und müssen infolgedessen öffentlichen Parkraum nutzen. Wohnungseigentümer B verkauft seine Wohnung an den Erwerber C.

Wird lediglich ein schuldrechtliches Sondernutzungsrecht vereinbart, wirkt es im Hinblick auf die vom Gebrauchsentzug betroffenen Wohnungseigentümer nicht gegen einen Erwerber oder Ersteher in der Zwangsversteigerung. Ein derartiger Sondernachfolger ist also an die Vereinbarung nicht gebunden. Da es nicht zwei unterschiedliche Rechtslagen innerhalb der Gemeinschaft geben kann, geht das Sondernutzungsrecht in Gänze unter, soweit nicht der Sondernachfolger ausdrücklich erklärt, mit der jeweiligen Vereinbarung einverstanden zu sein, was in der Praxis stets vom konkreten Einzelfall abhängt. Erklärt C ausdrücklich, den Gebrauchsentzug an dem Kfz-Stellplatz auch gegen sich wirken zu lassen, hat das Sondernutzungsrecht weiter Bestand, ansonsten geht es unter.

Wirkung gegenüber Sondernachfolgern begünstigter Wohnungseigentümer

Eine andere Frage ist, ob nicht das zugunsten eines Sondereigentümers vereinbarte schuldrechtliche Sondernutzungsrecht auf seinen Sondernachfolger "automatisch" übergeht.

 
Praxis-Beispiel

Sondernutzungsberechtigter verkauft

Zugunsten des gehbehinderten Wohnungseigentümers A ist ein schuldrechtliches Sondernutzungsrecht an einem Kfz-Stellplatz begründet. A verkauft seine Wohnung an den Erwerber E.

Ausgehend vom Wortlaut der Bestimmung des § 10 Abs. 3 Satz 1 WEG nimmt hier die Rechtsprechung an, dass das Sondernutzungsrecht auf den E übergegangen ist, da die entsprechende Vereinbarung nicht "gegen" den Sondernachfolger wirkt, sondern ihm im Gegenteil Rechte einräumt.[1] Allerdings ist dies in der Literatur heftig umstritten. Eine höchstrichterliche Klarstellung steht noch aus.

 

Was muss der Verwalter zur Begründung eines schuldrechtlichen Sondernutzungsrechts tun?

Step-by-Step

  1. Zunächst hat der Verwalter den wirklichen Willen der Wohnungseigentümer zu erforschen. Hier sollten die Wohnungseigentümer darüber aufgeklärt werden, dass Sondernutzungsrechte mangels Eintragung im Grundbuch in aller Regel nicht gegenüber Sondernachfolgern von Wohnungseigentümern wirken und im Zweifel hinfällig werden.
  2. Soll lediglich ein schuldrechtliches Sondernutzungsrecht begründet werden, ist der Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums, der dem Wohnungseigentümer zur Sondernutzung zugewiesen werden soll, so exakt wie möglich zu bestimmen. Hier empfiehlt es sich, im Einzelfall Planunterlagen wie etwa den Aufteilungsplan oder Baupläne zur näheren Konkretisierung heranzuziehen und die betreffenden Bereiche entsprechend zu markieren.
  3. Zwar bedarf die Begründung von Sondernutzungsrechten auf Grundlage einer schuldrechtlichen Vereinbarung keiner Form. Da aber ohnehin sämtliche Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zur Begründung des Sondernutzungsrechts erteilen müssen, spricht nichts dagegen, die entsprechende Vereinbarun...

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