Rz. 310

Die Krankenversicherungspflicht der Bezieher von Vorruhestandsgeld war im Zusammenhang mit dem Vorruhestandsgesetz (VRG) v. 13.4.1984 (BGBl. I S. 601) durch die Einfügung des § 165 Abs. 2 Satz 2 RVO eingeführt worden und ist mit den Abs. 3, 4 unverändert übernommen worden.

 

Rz. 311

Das Vorruhestandsgeld ist seiner Definition nach eine Leistung des Arbeitgebers an den aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmer, die aufgrund kollektivrechtlicher oder einzelvertraglicher Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer erbracht wird und die bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (oder entsprechender Zeiten eines Renten- oder Ruhestandsbeginns) erbracht werden musste. Die Vorruhestandsgeldbezieher werden den entgeltlich Beschäftigten gleichgestellt, wenn unmittelbar vor Bezug des Vorruhestandsgeldes Versicherungspflicht bestanden hatte und das Vorruhestandsgeld mindestens 65 % des vorherigen Bruttoarbeitsentgelts betrug, das der ausgeschiedene Arbeitnehmer vor Beginn der Vorruhestandsleistung in den letzten abgerechneten, insgesamt 6 Monate umfassenden Lohnabrechnungszeiträumen durchschnittlich erzielt hatte (§ 3 VRG). Das Vorruhestandsgeld, das ab dem 58. Lebensjahr gewährt werden konnte, setzte voraus, dass damit ein endgültiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verbunden war. Leistungen, die nicht mit dem endgültigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verbunden sind, stellen kein Vorruhestandsgeld dar (BSG, Urteil v. 24.9.2008, B 12 R 10/07 R, USK 2008-94). Da es an der unmittelbaren vorherigen versicherungspflichtigen Vorbeschäftigung fehlt, begründet eine als Vorruhestandsgeld bezeichnete Leistung des Arbeitgebers, die im Anschluss an ALG gezahlt wird, keine Versicherungspflicht als Vorruheständler (BSG, Urteil v. 2.9.2009, B 12 KR 13/08 R, SozR 4-2500 § 5 Nr. 9 = DB 2010 S. 16).

 

Rz. 312

Zutreffend wird in Abs. 3 der Tatbestand eines krankenversicherungspflichtigen, gegen Arbeitsentgelt beschäftigten Arbeiters und Angestellten für die Vorruhestandsgeldbezieher fingiert ("gelten als"), da die mit dem Vorruhestandsgeld verbundene endgültige Freistellung von der Arbeit keine tatsächliche Beschäftigung i. S. d. § 7 Abs. 1 SGB IV und des Abs. 1 Nr. 1 ist. § 226 Abs. 1 Satz 2 stellt darüber hinaus das Vorruhestandsgeld dem Arbeitsentgelt gleich, was zur Beitragspflicht des Vorruhestandsgeldes als Arbeitsentgelt führt, obwohl es sich arbeitsrechtlich und i. S. d. Abs. 1 Nr. 1 nicht um einen Arbeitsentgeltanspruch aus einer abhängigen Beschäftigung handelt.

 

Rz. 313

Vor Beginn des Bezuges von Vorruhestandsgeld nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 versicherungsfreie Arbeitnehmer bleiben auch bei Vorruhestandsgeld unterhalb der nach § 6 Abs. 6 oder 7 maßgebenden Jahresarbeitsentgeltgrenze während des Vorruhestandsgeldbezugs weiterhin wegen der Höhe des Arbeitsentgeltes versicherungsfreie Beschäftigte und hatten und haben damit als solche Anspruch auf einen Beitragszuschuss gegen den Arbeitgeber (vgl. § 257 und Komm. dort).

 

Rz. 314

Das Vorruhestandsgesetz (VRG) war bis zum 31.12.1988 befristet (§ 14 VRG) und lief – jedenfalls hinsichtlich der Förderung der Vorruhestandsleistungen durch das Arbeitsamt – 1993 aus. Trotz dieser Befristung ist die Regelung in Abs. 3 und sogar noch in § 20 Abs. 2 SGB XI auch für die Pflegeversicherung ab 1995 übernommen worden. Daraus wird gefolgert, dass die Regelung auch dann anzuwenden ist, wenn Vorruhestandsgeldbezug nach dem 1.1.1989 beginnt und die Voraussetzungen des VRG erfüllt wären (Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände v. 21.11.1988).

 

Rz. 315

Abs. 4 enthält für Vorruhestandsgeldbezieher Ausnahmen vom Territorialitätsgrundsatz des § 3 Nr. 1 SGB IV, weil die Gleichstellung an sich voraussetzen würde, dass Vorruhestandsgeldbezieher eine Beschäftigung im Inland ausüben. Da diese tatsächliche Beschäftigung im Inland jedoch gerade nicht erforderlich ist, wird für die Krankenversicherung als ausreichend vorausgesetzt, dass der Versicherungspflichtige einen inländischen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt (vgl. dazu Komm. zu § 30 SGB I) hat oder diesen zumindest in einem Staat hat, mit dem über- oder zwischenstaatliche Regelungen über Sachleistungen bei Krankheit bestehen. Damit soll letztlich sichergestellt werden, dass der mit der Versicherungs- und Beitragspflicht verbundene Leistungsanspruch auch erfüllbar bleibt.

 

Rz. 316

Vorruhestandsgeldbezieher, die als Leistung für die freiwillige Aufgabe des Arbeitsplatzes noch nach den Maßgaben und Voraussetzungen des VRG Vorruhestandsgeld beziehen, dürfte es inzwischen nicht mehr geben. Denkbar sind allenfalls noch Fälle einer privaten Vorruhestandsvereinbarung ohne gesetzliche Förderung (vgl. BSG, Urteil v. 26.11.1992, 7 RAr 46/92, BSGE 71 S. 265). An die Stelle des Vorruhestandes sind zunehmend Modelle der Flexibilisierung der Arbeitszeit zum Rentenalter hin nach Maßgabe des Altersteilzeitgesetzes (ATZ) v. 20.12.1988 (BGBl. I S. 2343) und des Gesetzes zur Förderung des gleitenden Übergangs in den Ruhestand v. 23.7.1996 (BGBl. I S. 1078) getreten.

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