Rz. 169

Die Begrenzung der KVdS ist mit einer Ausnahmeklausel (Öffnungsklausel) versehen. Die KVdS besteht dann über die Grenzen hinaus, wenn "die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe, insbesondere der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen in einer Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungswegs, die Überschreitung der Altersgrenze oder eine längere Fachstudienzeit rechtfertigt". Bei dieser Öffnungsklausel handelt es sich nicht um eine Ermessensvorschrift, sondern um einen unbestimmten Rechtsbegriff in Form einer Generalklausel, denn Versicherungspflicht kann nicht einer Ermessensentscheidung unterliegen.

 

Rz. 170

Die Frage, ob die KVdS weiterhin besteht, ist von der Krankenkasse durch Verwaltungsakt zu entscheiden, der bei Ablehnung der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Grundsätzlich wäre bei Streit über das Weiterbestehen der KVdS zwar auch eine Feststellungsklage auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses möglich (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Diese Feststellungsklage wird jedoch zumeist als nachrangig angesehen. Liegen Hinderungsgründe vor, kann die Entscheidung der Krankenkasse entweder die KVdS nur für das Folgesemester oder für mehrere Semester bestätigen. Ein solcher Bescheid bindet jedoch für die Folgezeit nicht, soweit darin fälschlicherweise ein unzutreffender Sachverhalt als Hinderungsgrund angesehen wurde.

 

Rz. 171

Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 11/2237 S. 159) führt zu der Öffnungsklausel an, dass diese als Ausnahme eng auszulegen sei und als persönliche oder familiäre Gründe z. B. Erkrankung, Behinderung, Schwangerschaft, Nichtzulassung zur gewählten Ausbildung im Auswahlverfahren, Eingehen einer insgesamt mindestens 8-jährigen Dienstverpflichtung als Soldat oder Polizeivollzugsbeamter im Bundesgrenzschutz auf Zeit bei einem Dienstbeginn vor Vollendung des 22. Lebensjahres, Betreuung von behinderten oder aus anderen Gründen auf Hilfe angewiesenen Kindern in Betracht kommen.

 

Rz. 172

Diese Gesetzesbegründung stimmte wörtlich mit Ziff. 10.3.4 der Verwaltungsanweisung nach § 2 Abs. 3 BAföG v. 31.7.1980 (GMBl. S. 358) zu § 10 Abs. 3 BAföG überein. Während allerdings die Vorschrift des § 10 Abs. 3 BAföG die Förderungsfähigkeit eines erst nach dem 30. Lebensjahr aufgenommenen Studiums betrifft (Eintrittsgrenze), stellt die Vollendung des 30. Lebensjahres gerade die Endgrenze für die KVdS dar. Die Gesetzesbegründung entspricht damit nicht dem gesetzlichen Regelungsinhalt und Wortlaut und ist daher auch nur begrenzt für die Auslegung der Öffnungsklausel verwendbar. Zwischen den beiden Gesetzen und deren Regelungen besteht daher auch kein zwingender rechtlicher Zusammenhang (vgl. BSG, Urteil v. 30.9.1992, 12 RK 3/91, SozR 3-2500 § 5 Nr. 8). Demzufolge kommt auch einer Ausbildungsförderung nach dem BAföG für die Beurteilung der KVdS keine entscheidende Bedeutung zu.

 

Rz. 173

Obwohl die Ausnahmeklausel von einem Überschreiten der Grenzen während des Studiums spricht, was dem Grunde nach die KVdS bei einem Studienbeginn nach Vollendung des 30. Lebensjahres ausschließt, hat das BSG die KVdS jedoch auch dann noch als möglich angesehen, wenn das Studium nach Vollendung des 30. Lebensjahres überhaupt erst begonnen wurde und wenn dafür durchgängig Hinderungsgründe vorgelegen hatten (BSG, Urteil v. 30.9.1992, 12 RK 3/91, SozR 3-2500 § 5 Nr. 8). Ob an dieser Rechtsprechung festgehalten wird, hat das BSG im Urteil v. 15.10.2014 (B 12 KR 17/12 R, BSGE 117 S. 117 Rz. 13) offen gelassen.

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