Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Beginn des Krankengeldanspruchs freiwilliger Mitglieder nach einer Satzungsänderung durch die Krankenkasse. Verfassungsmäßigkeit. Anfechtbarkeit einer Satzungsänderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse kann nicht verlangen, ihm wie bisher Versicherungsschutz mit Krankengeldanspruch vom Tage nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu gewähren, wenn die diesbezügliche Satzung von der Krankenkasse geändert wurde.

2. Satzungsvorschriften, die für freiwillige Mitglieder den Anspruch auf Krankengeld erst mit Beginn der dritten Woche nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit entstehen lassen, entsprechen der gesetzlichen Ermächtigung in § 44 Abs 2 SGB 5 und verstoßen nicht gegen das GG.

3. Die unmittelbare Anfechtung einer Satzungsänderung ist unzulässig, weil das sozialgerichtliche Verfahren eine abstrakte Normenkontrolle nicht kennt. Vielmehr kann die Satzung lediglich inzident, das heißt anhand einer konkreten Verwaltungsentscheidung, überprüft werden.

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 05.01.2010; Aktenzeichen 1 BvR 2973/06)

BSG (Urteil vom 05.07.2006; Aktenzeichen B 12 KR 16/05 R)

BSG (Beschluss vom 26.06.2006; Aktenzeichen B 1 KR 19/06 B)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Dauer des Krankengeldanspruchs des Klägers streitig.

Der bei der Beklagten seit 01.06.1995 als Selbständiger freiwillig versicherte Kläger hatte nach § 21 Abs. 3 der ab 01.01.2000 geltenden Fassung der Satzung der Beklagten einen Anspruch auf Krankengeld ab dem achten Tag der Arbeitsunfähigkeit. Im Dezember 2001 setzte die Beklagte den Kläger davon in Kenntnis, dass ab 01.01.2002 eine Satzungsänderung eingetreten sei. Nach § 21 Abs. 3 der ab 01.01.2002 geltenden Fassung der Beklagten entstand der Anspruch auf Krankengeld für Selbständige der Beitragsklassen 671, 676 und 921 nunmehr erst am 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit, für Selbständige der Beitragsklassen 631 und 636 erst am 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit.

Der Kläger wurde vom 13.08.2002 bis zum 27.08.2002 wegen Rückenbeschwerden arbeitsunfähig. Krankengeld erhielt er für diese Zeit nicht. Eine weitere Arbeitsunfähigkeit trat vom 30.08.2002 bis zum 23.09.2002 wegen eines chronischen Hautdefekts hinzu. Krankengeld erhielt er hierfür vom 20.09.2002 bis zum 23.09.2002. Am 30.09.2002 wurde der Kläger erneut arbeitsunfähig wegen einer akuten Bronchitis und einer Entzündung der Nasennebenhöhlen. Krankengeld erhielt der Kläger ab 22.10.2002. Mit Schreiben vom 19.11.2002 ließ der Kläger bei der Beklagten nachfragen, warum Krankengeld nicht bereits ab dem achten Tag der Arbeitsunfähigkeit gezahlt werde. Mit Schreiben vom 28.11.2002 wies die Beklagte auf die ab 01.01.2002 geänderte Satzung hin und teilte mit, der Kläger habe erst ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld. Hiergegen ließ der Kläger mit Schreiben vom 09.12.2002 Widerspruch einlegen. Die Arbeitsunfähigkeit endete am 24.02.2003. Eine erneute Arbeitsunfähigkeit trat am 10.03.2003 wegen Bronchitis und einer depressiven Episode ein. Der Kläger erhielt Krankengeld ab 31.03.2003. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2003 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 15.07.2003 eingegangene Klage.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 28.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2003 festzustellen, dass die freiwillige Krankenversicherung über den 01.01.2002 hinaus unverändert mit Anspruch auf Krankengeld ab dem achten Tag der Arbeitsunfähigkeit weiter besteht und dass die Umwandlung auf einen Anspruch auf Krankengeld ab Beginn des 22. Tages der jeweiligen Arbeitsunfähigkeit rechtswidrig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Bescheid vom 17.03.2005 stellte die Beklagte die Beendigung der Mitgliedschaft fest, da der Kläger trotz Aufforderung für zwei Monate keine Beiträge entrichtete.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die beim örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Stuttgart frist- und formgerecht erhobene Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die beklagte Krankenkasse ist nicht verpflichtet, den Kläger über den 31.12.2001 hinaus mit einem Krankengeldanspruch ab dem achten Tag der Arbeitsunfähigkeit zu versichern.

Die Kammer stützt sich dabei im Folgenden auf die grundlegende Entscheidung des BSG vom 28.09.1993 (Az.: 1 RK 34/02).

Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Soweit das Schreiben der Beklagten vom 28.11.2002 die Mitteilung enthält, dass sich die freiwillige Versicherung mit der bisherigen Krankengeldregelung zum 31.12.2001 änderte, handelt es sich um eine Entscheidung mit einem eigenständigen Regelungsgehalt, die anfechtbar war. Das Schreiben enthält eine auf den Kläger bezogene Konkretisierung des geänderten Satzungsrechts. Zwar gehört es zum Wesen einer Krankenkassensatzung, soweit sie ...

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